Ein Leser dieser Homepage schickte mir dieses Gedicht, das ich als ganz wunderbar empfinde.
Vielen Dank an A.G. aus Germering
Vom Essen – Carl Zuckmayer
Der Mensch beim Essen ist ein gut Gesicht,
wenn er nichts denkt und nur die Kiefer mahlen,
die Zähne malmen und die Blicke strahlen
vom einem wunderbaren Urweltlicht.
Vorspeisen sind wie Segel über Buchten,
schlank und zum Hafen schnellend in erregter Fahrt,
indes die schweren Fleischgerichte wuchten
gewaltig über Wiesen von Gemüsen zart.
Welch ein entzücktes Spiel: zu hohen Festen
erlesner Bissen Liebreiz zu erfliehen,
und welche Lust: sich mächtig vollzumästen,
satt und mit Saft gefüllt vom Hals bis zu den Zeh´n.
Fischfleisch ist weiß und heilig oder rosen
und manchmal rauchgebeizt und lauchgewürzt.
Auch kleine Fische gibt´s in blanken Dosen,
die man wie Schnäpse jach hinunterstürzt.
Wildbret: Du Perle Cumberlands, von edler Fäule,
und nackter Horden rohgebratner Fraß!
Wohl dem, der Schneehuhn oder Rentierkeule
(gespickt, mit Sahne) hoch im Norden aß.
Beefsteak tatare ist fast so stark an Gnade
wie ein am Grill gebratenes Lendenstück,
und viele Götter leben im Salate,
saftrot und samenkerngeschwellt das Weib Tomate,
und grünes Kraut im Frühling ist ein kühles Glück.
Wenn du Kartoffeln oder Spargel isst,
schmeckst du den Sand der Felder und den Wurzelsegen,
des Himmels Hitze und den großen Regen,
die kühlen Wasser und den warmen Mist.
Lasst mich hier schweigen vom Besoffensein,
vom tiefsten, tödlichsten Hinübergleiten,
vom hellsten, wachsten Indiewindereiten,
die Welt ist groß und unser Wort ist klein.
Lasst mich hier schweigen von dem Blutgericht
geheimster Liebe in verrauschten Zeiten –
lasst mich nur essen, dankbar und bescheiden –
der Mensch beim Essen ist ein gut Gesicht.
PS: Da weiß man wieder, was ein meisterliches Gedicht ist.