Vincents Tagebuch

Turbulenter Sonntagmittag

von | 25. November 2024 | Tagebuch

Ich fahre vom jüdischen Friedhof Wankheim fünf Minuten weiter nach Jettenburg ins Gasthaus “Kompf”. Diesen Mittagsaufenthalt hat mir mein Google Maps empfohlen. Ich schaue mir auf dem iPhone die Bilder an und denke, der Laden ist okay.

Kaum die Wirtshaustüre hinter mir bin ich in einem Orkan von froh-leutseliger Gasthauslust. Erwachsene sind laut, reden durcheinander, lachen und Kinder schreien. Ich setzte mich und gleich kommt ein Ober und er liefert mir umgehend ein kleines Bier und dann gleich nochmal eines. Der Kellner war fix und freundlich und ich fühlte mich gleich gut aufgehoben. Der Lärm um mich ist infernalisch, Ein Baby hat das Organ einer Katastrophensirene. Ich wollte mich schon aufregen, aber meine Altersweisheit befahl mir:”Mann, beruhige Dich, sei froh, dass es noch Kinder gibt und auch Gasthäuser in denen Großfamilien preiswert sich die Mäuler stopfen können. Ich bestelle einen Salat und die empfohlene Gänsekeule und sinniere dann darüber wie wichtig solch preiswerte Wirtschaften sind. Meine Frau Elisabeth nannte solche Fütterungsfestivitäten immer “Fressschuppen”, und um mich herum wird auch reingehauen, dass die Schwarte kracht. Mein Salat kommt und ist wirklich gut. Wenig später habe ich einen Kartoffelknödel und intensives Rotkraut vor mir. Zwei Orangenhälften zieren die in der Sauce ruhende Gänsekeule. Ich räume diese und noch eine Kirschtomate und Kresse zum Tellerrand. Der Krempel der momentan über jedes Essen und auch Salat gestreut wird hört immer mehr. Das sind wohl Ablenkungsmanöver, falls das Essen doch nicht so gut ist, dann soll es wenigstens gut aussehen.
Staunend schaue ich die Gänsekeule an. Ob es sich um eine besondere Zucht handelt? Schaut man die Keulen vom Geflügel an, so sind Oberschenkel und Wade zu einem rechten Winkel geordnet. Jeder kennt das vom Göggele, das man “ums Eck nagen muss”. Diese Keule aber war langestreckt und ich kam ins Grübeln, eine Neuzüchtung?. Dann fiel der Groschen. Die Gänsekeule entstammte wohl einem Tiefkühlkartonkarton in welche die Keulen platzsparend hineingezwängt wurden. Sie wurden geradegebogen und platzsparend in Reih und Glied sortiert.

Die Keule war also ein Tiefkühlprodukt und erstaunlich gut. Bekanntlich kostet eine vom Bauern aufgezogene Gans an die sechzig Euro. Meinen Teller mit allem drum und dran stand für 26 Euro auf der Karte. Ich war zufrieden, denn im Anblick der erhitzen, lachenden, glücklichen Krawallmacher um mich wurde ich geradezu sentimental. Meine Güte, das ist ein pulsierende Wirtschaft und überschlägig schätze ich, dass heute mittag über hundert Gäste glücklich gemacht werden. Ehrlich gesagt, ich glaube ich würde das nicht hinbekommen. Freilich ist das alles nicht der Gipfel der Gastronomie, aber ein Ort der Familien zusammenführt, alle werden gediegen satt und Mama musste sich nicht in der heimischen Küche abrackern. Kurzum ein Hoch auf die Gasthäuser, die vielleicht nicht Gourmets begeistern, aber für ihre niedern Preise einen Spitzenmittag liefern und viele Familien glücklich machen.

A Gans isch a blöds Vieh, für Zwei zuviel für sechs zu wenig.