Briefe an Laura

Der Friedhof in Wankheim

von | Briefe an Laura

Sanft führt die Schnellstraße ins Neckartal hinab. Links glitzert ein See, geradeaus hoch oben am Horizont blinzeln die Häuser von Kusterdingen mir zu. Dort will ich hin. Genauer gesagt, nach Wankheim und mein Navigationsgerät hat sogar den jüdischen Friedhof auf dem Schirm. Er ist nicht so groß, wie ich dachte und mit einem Lattenzaun eingefriedet. Ein schmiedeisernes Tor lädt ein, dann aber doch nicht. Es ist verschlossen mit einem Hinweis, dass man sich im Rathaus, oder bei einer gewissen Dame den Schlüssel abholen könnte. Alte Grabsteine sind dabei, aber auch welche aus der Zeit vor dem Krieg. Wie ein Denkmal steht in der Nähe des Eingangstors ein mannshohes Eisendreieck. Solide befestigt kann man Texttafeln umblättern wie bei einem Leitzordner.  Um irgendwelche Verwüstungsidioten zu domestizieren ist die Konstruktion nahezu unzerstörbar.

Es gibt noch sehr ergreifendes zu Wankheim zu berichten. Die Rede ist vom Pfarrhaus und dem Pfarrer Richard Gölz. Er und seine Frau waren wirkliche Helden. Während der Kriegsjahre diente das Pfarrhaus als Fluchtpunkt für jüdisch verfolgte. Insgesamt gab es in Württemberg 66 Pfarrhäuser, die sich für die Rettung von Juden eingesetzt hatten. Diese galten in den Pfarrhäusern als Besucher, Verwandte oder Ähnliches, um keine Aufmerksamkeit zu wecken. Die Verfolgten wurden nach 3 bis 4 Wochen weiter in ein anderes Pfarrhaus verschoben. Das hat letztlich sehr gut funktioniert. Den Zusammenschluss der Pfarrhäuser nannte man “Württembergische Pfarrhauskette”. Am 23. Dezember 1944, während des Gottesdienstes in Tübingen, wurde Pfarrer Gölz aufgrund einer Denunziation verhaftet und im KZ Welzheim interniert. 1945 erlangt er wieder die Freiheit. Darüber gibt es ein Buch von Kurt Oesterle “Richard Gölz – Ein Wankheimer Licht im deutschen Dunkel”.
Auf Seite der Verfolgten überlebten Max und Ines Krakauer durch die Pfarrhäuser 27 Monate bis zum Kriegsende. Ihr Buch und Zeitzeugenbericht erschien 2012 auch in englischer Sprache: “Lights in Darkness. Lichter im Dunkel”.