wohl bewusst war ich mir, dass ich ein Mann von Gestern, mit drohendem Verfallsdatum bin. Dann las ich gestern eine Nachricht, ein gewisse Ed Sheeran sei in Stuttgart mit einem Privatjet gelandet. Es stand auch dabei, dass dieser Sheeran das Flugzeug nicht gekauft, nur kurz gemietet und sowieso ein braver Familienvater und sparsamer Mann sei. Stinknormal, hörte ich heraus.
Den Namen hatte ich nie gehört, aber ich muckte dann schwer auf, als in der Nachricht stand, dass in Stuttgart 120.000 Fans ihn erwarten würden. Hoppla, dachte ich, womöglich bin ich ein Mann von Vorgestern. Ich warf den Laptop an um den Namen Ed Sheeran zu googeln. Who the hell is Ed?
Kürzlich fuhr ich mit meinem VWup streng nach Straßenverkehrsordnung durch die Gegend und zählte im Rückspiegel eine Fahrzeugschlange, immerhin sieben Follower. Nun lese ich, dass dieser junge Englishman mit Strubbelfrisur, pubertärem Bartzausel über 1 Milliarde Follower bei Laune hält.
Mir krachte die Tatsache ins Gemüt, dass das Leben an mir vorbeigeht. Ich hocke hier in der Wielandshöhe und nebenan im Wohnhaus in so ´ner Art Wolkenkuckucksheim und kriege überhaupt nicht mehr mit was die Welt bewegt. Ich fühlte mich mental in die Ecke gedrängt und wem dies widerfährt der wendet sich gern an seine ebenfalls abgehängten Freunde, denn gemeinsames Leid des halbes Leid.
Den Einen rief ich an in der Hoffnung, dass er auch, wie ich, sozial-medial erblindet war. Verdammt es war nicht so, er konnte mir einiges Interessantes über diesen Musiker herunterbeten. Er sei 1991 in Halifax geboren, Singer-Songwriter. 150 Millionen Tonträger hat er verkauft. Der Vater vererbte ihm als Ire keltisch rote Haare. Er war ein bisschen von Van Morrison beinflusst und spielte mit Taylor Swift, den Pink Floyd oder Paul McCartney, Lady Gaga. 2017 bekam er den Orden des British Empire und darf sich, so glaube ich, Sir nennen. Mein Freund füllte mir die Ohren und ich fühlte mich irgendwie megaout. Von all dem hatte ich nie es etwas gehört.
Ich rief den anderen Freund an, in der Hoffnung auf einen ebensolchen Eremiten wie ich. Ich staunte, dieser Oldie wusste über den Musiker auch einiges, was er so treibt und wie er mit über 30 Jahren immer noch nicht aus dem Stimmbruch raus ist. Viel wusste er nicht, aber immerhin er war mir an Weltläufigkeit um einiges überlegen. Ich schmiss mich an mein iPad und startete YouTube-Filmchen die mich derart mit der Kunst dieses Mannes imprägnierten, dass ich diesen Namen nie mehr vergessen werde. Es gibt viele Leute, die mich als Musiker schätzten. Ich bin nur im Jazz zuhause, aber der Kosmos der Musik ist unendlich, und dieser Ed Sheeran nimmt einen schönen Platz ein. Seine Lieder sind wirkliche Musik, schlicht und singbar und kein Lärm oder Gitarrengekreische, also lieber Ed, meine Bewunderung.
Ich sah dann noch einen YouTube-Film eines Konzerts in Melbourne. Es fand in einem Fußballstadion statt, geschätzte Fans ungefähr 60tausend. Er stand ganz alleine auf der Bühne zupfte und sang, nur begleitet von einem Laptop, der ihm den Background lieferte. Herrgottnochmal, was für ein Kerl.