Liebe Laura, im Neinsagen bin ich ganz schlecht. Harmoniesüchtig? Mehr oder weniger schon, und auf Feinde bin ich auch nicht scharf. So habe ich in meinem langen Leben erst einmal einen Rechtsanwalt beschäftigt, der mir Nachstellungen vom Leibe hielt.
Nun lese ich über den japanischen Stararchitekten Tadao Andō. Er hat zum Beispiel das Konferenz- und Tagungsgebäude des Vitra Design Museums in Weil am Rhein gebaut. Er war gelernter Profiboxer hat sich die Architektur selbst beigebracht. Er ist mittlerweile Professor an verschiedenen Eliteuniversitäten. Er hat den Pritzker-Preis gewonnen, das ist sozusagen der Nobelpreis für Architektur. Nun ist er 84 und hat sich nun mit dem Neinsagen beschäftigt. Auf der ganzen Welt hat er die tollsten Bauwerke hingestellt und nun, nach über acht Jahrzehnten es geschafft, “Nein” zu sagen. Ich muss ihm unbedingt nacheifern, denn wollte ich allen Einladungen folgen hätte ich keine Freizeit mehr für mich. Andersrum, dann könnte ich gleich die Kneipe rund um die Uhr am Pulsieren halten.
Für Tadao Andō hat Neinsagen nichts mit Ablehnung oder Missachtung zu tun. Für ihn ist es eine Abwehr von Kompromissen und der Wunsch nach einem wahrhaftigen, selbstbestimmten Leben. Also ein Leben ohne Luxus, ohne dekorative Spielereien. Neinsagen bedeutet, dass man seine soziale Unabhängigkei bewahrt und das eigene Ich gut pflegt, das sonst im Banalen zu versinken droht. Mit anderen Worten, dass man als freies Individum die Welt beschreitet.