Vincents Tagebuch

Alliens

von | 4. März 2025 | Tagebuch

Die Fahrt vom Bodensee in Richtung Stuttgart langweilte mich sehr. So drehte ich am Radio herum und fand zuersteinmal nur Dudelmusik was meine Langeweile dramatisch ins Depressive rückte. Doch dann blieb der Suchlauf an einem Sender hängen aus dem eine weibliche Stimme mit erheblicher Dramatik auf mich einsprach. Unmittelbar überkam mich ziemliche Aufregung, denn die Frauenstimme berichtete von einem unbekannten Flugobjekt, das sich in die Umlaufbahnen der Satelliten in ca. 23 Kilometer Höhe eingereiht habe. Ständig kamen aus dem Raumfahrtzentrum der NASA neue Erkenntnisse. Wenig später berichteten Wissenschaftler des ESOC, des European Space Operations Centre aus Darmstadt oder die ESA, das Tor zum Weltraum, dass bisher keine Zeichen auf einen Angriff deuteten. Die Aufregung war gewaltig und auch besorgte Laien wurden telefonisch zugeschaltet. Eine Frau hatte die Nacht vorher schlecht geschlafen und behauptete, die Alliens seinen schon gelandet und bereits in großer Zahl ums Haus. Ein besonnener Anrufer warf in die Runde, dass man unbedingt das Flugobjekt vernichten müsse, bevor es uns vernichtet.

Ich wollte mit dem Mobiltelefon meine Frau anrufen, sie solle den Fernseher einschalten, es täte sich im Weltraum äußerst Ungewöhnliches, was unser ganzes Weltbild und auch unsere Existenz gefährden könne. Ich rief dann doch nicht an, denn ich musste die Ohren spitzen, damit mir von den Geschehnissen nichts entging. Der eine Anrufer mit den Vernichtungsphantasienen beschäftigte mich besonders. Ich konnte wenig später meinen Gedanken nachhängen denn im Satellitenorbit tat sich nichts Neues. Ich rief meine Frau nun an, es war belegt. Dann kam der Rückruf, dass die ARD von den Umtrieben im schwerelosen Raum noch nichts mitbekommen habe und ob ich womöglich etwas alkoholisiert unterwegs sei? Schließlich war die Sendung vorbei, denn der Zeiger meiner Uhr rückte auf 20.00 Uhr und die Tagesnachrichten krachten mir ins Auto. Ein Terrorist hatte irgendwo eine Bombe gezündet  und allenthalben schwappte terroristische Gewalt durch Deutschlands Süden. Von Aliens wusste der Nachrichtensprecher nichts. Ich erinnerte mich wieder an den Anrufer, der nach bester amerikanischer Republikaner Tradition das Flugobjekt ad hoc abschießen wollte. Ich vollendete den Gedankengang à la John Wayne: „Erst schießen, dann fragen!“

Mich bewegte der Gedanke, was ist mit uns Erdlingen hier los ist, dass es uns niemals in den Sinn kommen könnte, dass Unbekannte Besucher aus dem Weltraum vielleicht gar nicht wissen was Krieg und Verderbnis ist. Keineswegs müssen Allienes solche charakterliche Fehlkonstruktionen sein wie wir sie hier auf dem Erdenknödel ertragen müssen. Schon die Alten Griechen wussten, vom Krieg, dem Vater aller Dinge. Wenn man sich überlegt, welch schöpferische Energie in der Erfindung von Kriegsgerät steckt. Es scheint, dass ohne Krieg tatsächlich die meisten Erfindungen nie stattgefunden hätten. Irgend etwas stimmt hier ganz und gar nicht. Dann kam eine Warnung vom Radiosender: “Meine Damen und Herren, in fiolge vieleer Panikanrufe müssen wir Sie aufklären, dass es bei dem Weltraumdrama um ein Hörspiel handelte, also rein fiktiv. Wir wünsche eine gute Nacht.

In meiner Jugend hatte ich als Gasthörer einige Semester Religionsgeschichte belegt. Ich erfuhr nichts anderes als Mord und Totschlag. Ganz klar, unsere urzeitliche Herkunft vom Raubtier ist nicht zu leugnen, mehr möchte ich an dieser Stelle nicht behaupten, nur vielleicht einen Hinweis noch. Unser Dasein kennt zwei feste Größen, die eine wäre Geld, die andere Macht. Wobei sich Macht und Geld gegenseitig beinhalten. Schaut man im Kunstmuseum in Stuttgart auf das Portrait von Otto Dix’ seines kleines Sohnes Ursus, sieht man, dass der Mensch als Gewaltmensch geboren wird. Alles was ihn zu Würde, Anstand, Mitgefühl, Fleiß, Zuverlässigkeit und zum Frieden einstimmt, ist die Menge an Kulturwissen, das ihm übereignet wird.

Friedenstaube, Bodenkachel vom Papstpalast in Avignon