Vincents Tagebuch

Wiener Schnitzel, seltenes Vergnügen

von | 9. Oktober 2024 | Tagebuch

Das Wienerschnitzel wird traditionsgemäß mit Kalbfleisch zubereitet. Ist es das nicht, wird es gerne als “Schnitzel Wiener Art” annonciert. Entgegen landläufiger Meinung ist diesbezüglich gesetzlich nichts vorgeschrieben. Wenig wichtig für ein Wienerschnitzel ist auch die feine Panade, die sich althergebracht möglichst stark wellen sollte.

Wenn zwischen Fleisch und Panade viele Lufteinschlüsse sind, dann gilt diese Speise als Meisterwerk. Diesbezüglich ist viel Psychologie im Spiel, denn entscheidend für ein Wienerschnitzel ist nicht das Aussehen sondern ersteinmal gutes Fleisch. Mir selbst ist ein Fleisch vom Ökoschwein lieber als ein Kalb aus Massenzucht. Wiener Aborigines lieben das „Schweinerne“ oft mehr als die Kalbfleischschnitzel. Für zu Hause empfehle ich nicht den Anweisungen zu folgen, dass das Schnitzel im schwimmenden Fett gegart werden müsse. Es ist höchst selten, dass mit dieser Methode sich Wohlgeschmack einstellt, denn bereits nach kurzem Gebrauch ist das Fett verbrannt, hinzu kommt noch das Problem, wohin mit dem vielen Altöl?

Im berühmten Wiener Schnitzel-Fressschuppen „Meissl & Schaden“ kann man in die Küche gucken. Was sehe ich da? Eine Kasserol mit rauchendem Schweineschmalz, ein Kasserol mit Butterschmalz, reichlich schwarz verbrannt, und dann ein Kasserol in der heißes Öl mit dem Tode ringt. Darin können die Schnitzel schwimmen, haben keinen Kontakt mit dem Pfannenboden und sich so schön ausbreiten und sich aufblähen. Die Schnitzel schmecken nicht nach Kalbfleisch, sondern nach dem Fett in dem sie gegart wurden, in Deutschland zumeist nach Fritten-Fritteuse.

Verabschieden wir uns also von der unbedeutenden Tatsache, dass ein Schnitzel eine luftig lockere Panade haben muss. Geben wir also das panierte Schnitzel mit Öl in eine mäßig-heiße Pfanne und braten das Stück langsam. Es bläht sich nicht auf, aber das macht nix.

Ein Wienerschnitzel sollte nicht dicker sein, als der kleine Finger, lieber dünner.
Pfeffern, salzen, durchs Mehl ziehen, das Mehl abschütteln, durchs zerklepperte Ei geben, abtropfen lassen und dann feinstes Paniermehl andrücken und danach gut abschütteln. Die Brösel holt man sich am besten beim Bäcker und nicht bei der Lebensmittelindustrie.

Ein bisschen Öl in die Pfanne und nicht zu stark erhitzen. Das Schnitzel hinein. Wenn leicht gebräunt, nach anderthalb Minuten wenden. Nochmal die gleiche Zeit und raus aus der Pfanne. Die Pfanne ausputzen zwei Butterflocken hinein (oder mehr). Wenn die Butter schäumt darin das Schnitzel wenden, anrichten und und restliche Butter darüber träufeln. Ende der Vorstellung.
Mein bestes Wiener Schnitzel in Wien: “Restaurant Meierei im Stadtpark”, oder “Restaurant zum schwarzen Kameel”.

Die Kneipensammlung im Buch „Mein Schwaben“ das in 4 Wochen in den Buchläden sein wird sind einige Helden der Kochkunst darunter, die ich aus reiner Nächstenliebe nenne. Oft hatte ich den Eindruck, dass die Wirte und Köche noch nie ein korrektes Wienerschnitzel gegessen haben. Sie haben offensichtlich kein kulinarisches Ziel und wissen überhaupt nicht wo der Hammer der Erkenntnis hängt. Egal welche „Bauernwirtschaft“, man bestellt Schnitzel mit Spätzle, Soß und Salat und was kommt? Ganz selten steht auf der Karte Naturschnitzel, ansonsten wird grundsätzlich ein paniertes Schnitzel, grundsätzlich mit Soß geliefert, auch wenn Spätzle dabei sind. Unglaublich, und ich habe lange gerätselt wieso?
Dann fiel der Groschen: Die Pfanne muss nicht überwacht werden, denn die Dinger fliegen in die Fritteuse, oftmals gleich zusammen mit Fertigkroketten, die zu den Spätzle auch noch gerne gereicht werden.
Übrigens in allen Lokalen waren die Gäste höchst beglückt, denn billiges Essen ist für Viele gutes Essen.

Besser geht es nicht. Letzten Montag: "Restaurant zum Hirschen" Hirschstr. 1 in Fellbach. , Dienstag geschlossen.