Liebe Laura,
Heute morgen sinnierte ich, dass eine Frau ihre Geschlechtsgenossin anders betrachtet, als ich, der Mann. Ich stellte mir dabei die Frage, was ist eine schöne Frau überhaupt? Irgendwo habe ich mal gelesen, dass sie nicht existiere. Die schöne Frau gäbe es nicht im wirklichen Leben. Mir ist völlig klar, die schönste Frau ist immer diejenige in die man verliebt ist. Verliebsein ist jedoch ein Karusell der Sinnestäuschungen, ein reines Produkt der Phantasie mit göttlichem Verlauf, aber oft auch katastrophaler Hormonausschüttung. Weltweit beziehen sich neunzig Prozent aller Morde sich auf Beziehung.
Gerade habe ich gesagt, dass es “die schöne Frau” nicht gibt. Das stimmt nicht ganz, denn sie bevölkert die Kunst seit der Antike. Man kann heftig draufschauen auf die göttlichen Sirenen, die als Skulpturen, dann in Mosaiken, auf Fresken und später auf Leinwand die Betrachter erfreuten. Sie sind allesamt kaum bekleidet, und pauschal gesagt, vorwiegend nackert.
Aber wie ist es im wirklichen Leben, da sind die Frauen normalerweise bedeckt und verhüllt. Doch die Gewänder, Köstüme, Kleider, die Blusen oder auch enge Pullover zeigen nicht Nackheit, allenfalls in Andeutung, Blusen etwas aufgeknöpft oder Dekolletés. Muss sagen, mir gefällt das. Man erkennt ob die Frau Geschmack hat hat oder die “Früchte” rauskullern wollen. Am Geländer des guten Geschmacks entlang zu hangeln erfodert Bildung. Zeigt sich ein bisschen zuviel Haut wird es manchmal ordinär. Verhüllte Ahnungen sind sexuell oft mehr aufgeladen als die bloße Haut.
Bleiben wir beim Nackten, und so will einen Maler vorstellen, der mir sehr schwäbisch vorkommt. Der Jura beginnt im Fränkischen, zieht sich als Schwäbische Alb hinunter, über Basel hinweg in den Schweizer Jura und dann den französischen Jura der kurz vor Lyon endet. Der Menschenschlag ist von Franken bis in die Hühnerregion der Bresse, also bei Lyon, der gleiche. Auf schwäbisch gesagt “Überzwerch”, quer und eigensinnig.
Gustave Courbet ist ein echtes Erzeugnis des steinigen Jura, widerspenstig, freiheitlich bis hart an den Terrorismus und ein weltberühmter Maler. Eines seiner großartigen Bilder wurde vor der Öffentlichkeit lange versteckt. Es heißt “Ursprung der Welt”. Ich selbst betrachte es nur mit gemischten Gefühlen, denn die totale Nacktheit erschreckt mich nicht, ist mir aber ein bisschen krude, reine Anatomie. Ich fühle mich zur Betrachtung nicht hingezogen, denn sie lässt meiner Phantasie kaum Raum. Man könnte sagen, der Realismus ist der Feind aller Träume.