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Liebe Laura, ein Erlebnis in Frankfurt wurde wegen Platzmangels aus dem Buch genommen. Deshalb deshalb erzähle ich das Erlebnis hier an dieser Stelle.
Verloren in Frankfurt
Ja, ich muss eine Geschichte erzählen, die ich noch nie erzählt habe, da ich mich heute noch ein bisschen für eine Idiotie schäme. Kurz vor Weihnachten 2022 setzte ich mich ins Auto nach Mainz, um mir das Gutenberg Museum genauer anzuschauen. Vor der Gutenberggedenkstätte drückte ich mich durch das Getümmel des Weihnachtsmarkts. Dann war ich drin und ich kann dieses Museum sehr empfehlen. Es widmet sich einer großen technischen Revolution, dem Druck mit beweglichen Blättern. Es war geradezu eine Zeitenwende, ähnlich wie die heutige Digitalisierung. Noch ganz im Glück von den Erkenntnissen des Gutenbergmuseums fuhr ich später auf Frankfurt zu.
Hatte ich bei der Durchquerung des Mainzer Weihnachtsmarkts zuviel Glühweindunst inhaliert? Das weitere Geschehen lässt dies vermuten. Immerhin noch fahrtüchtig, etwas verträumt, kamen die Frankfurter Wolkenkratzer in Sicht. Ich erinnere mich noch an die Eroberung der Stadt über die Mainzer Landstraße, die bis ins Zentrum führt. In irgendeiner Seitenstraße zwischen Glashochhäusern sah ich freie Parkplätze. Also, das Ruder herumgerissen, und zack war ein prima Parkplatz ergattert. Als unwilliger Wandersmann, habe ich im Kofferraum immer ein Fahrrad in Reserve. Ich entließ mein altes Colnago-Rennrad in die “frische Luft” Frankfurts, richtete den Lenker gerade, schraubte den Sattel in gewohnte Höhe, schloss den VW ab und rollte alsbald gemächlich bergab in Richtung des Mains. Das Karmeliterkloster in der Münzgasse wurde angesteuert. Das Klosterareal beherbergt als Museum frühgeschichtliche Funde und die Zeit des Frankfurter Mittelalters. Im Krieg wurde vom Kloster einiges zerstört. Mich interessierte das Dormitorium und der Kreuzgang und damit die Wandmalerei von Jerg Ratgeb.
Nach zwei Stunden in dem Museum dachte ich an die Heimfahrt, also wieder rauf aufs Rad, noch ein bisschen am Mainufer herumgegondelt und dann ab zum Auto. Nach drei Stunden hatte ich es immer noch nicht gefunden. So schnell verliere ich nicht die Fassung, aber man glaube mir, ich war mit den Nerven total runter. In Frankfurt kenne ich mich nun bestens aus, alles abgeradelt. Ich geriet dann in den Dunst und das Durcheinander des Frankfurter Weihnachtsmarktes und fand dann dort eine Polizeiwache. Es dämmerte schon. Geduldig wartete ich an der Pfort bis der Zerberus hinter einer Glasscheibe ein offensichtlich zähes Telefonat beendet hatte. Hinter mir ein Kommen und Gehen von Polizisten. Es hatte zuvor, zu allem Überfluss auch noch Sprühregen eingesetzt und so stand ich buchstäblich wie ein begossener Pudel in der Zugluft.
Dann durfte ich mein Anliegen vorbringen und wenn ich nicht so konfus gewesen wäre, dann hätte ich die Reaktion des Wachhabenden bereits vorher erahnen können. In sortenreinem Hessisch erklärte er mir die Welt: “Ei wisse’se, mir könne au nix annersch mache als durch die Gasse schtesche (stechen) und suchä. Also mei’ Tipp, suche se selber weiter!” Völlig demoralisiert schlich ich wieder in den Nieselregen, es war, als verließe ich eine Hinrichtungsstätte. Allein der göttliche Hessendialekt hielt mich in der mentalen Spur. Im Nieselregen, der irgendwie an nassen Staub erinnerte, setzte ich verbissen meine Erkundung fort.
Irgendwo zwischen den Glashochhäusern muss die Karre doch stehen? Aber nein, ich wurde nicht fündig, kam am Hotel Frankfurter Hof vorbei. Ich traute in meinem durchweichten Zustand gar nicht nach einem Hotelzimmer zu fragen, sondern klingelte mit dem Handy durch. Zimmer frei hieß es. Ich bedankte mich und würde mich nochmal melden. Es hatte sich nun längst die Nacht über die Stadt gelegt, die aber von tausenden Weihnachtsglühbirnchen und quirlig von fleischgewordener Glühweinlaune belebt wurde. Für den Hessen macht der Glühwein die Weihnachtszeit offensichtlich sehr erträglich. Um mich herum ging es zu wie bei einer angesoffenen Karnevalsparty. Nicht so bei mir. Ich hätte aber auch keinen Glühwein eingepfiffen, das Zeug ist ziemlich unter meinem Genießer-Radar. Vielleicht war dies die Ursache meiner miserablen Navigation, weil Besoffene in der Regel einen guten Schutzengel haben. und ich eben nicht besoffen war. Überall wankten Artgenossen zwischen weihnachtlichen Deko-Lämpchen. Und dann, endlich tat’s auch in meinem Kopf eine Zündung. Als mittlerweile nahezu Einheimischer schloss ich am gegenüber dem Hotel Frankfurter Hof mein Fahrrad an ein Eisengeländer. Unverzüglich tapste ich ziemlich hüftsteif von der Katzbuckelei auf dem Rennrad, zu einem nahen Taxi. Der Fahrer kapierte schnell. Ich erklärte ihm wir fahren jetzt wieder ein Stück weit nach Mainz und dann die Mainzer Landstraße zurück auf Frankfurt zu. Gemächlich patrouillierten wir das verdächtige Gebiet ab. Ich stierte stur nach rechts in jede Gasse. Siehe da: “Stopp, schrie ich, da isser, der Karren!” Eine Zentnerlast fiel mir vom Herzen und befreiend stöhnte ich den Fahrer an, “Sie fahren jetzt mit mir wieder zum Kaiserplatz. Sie bekommen ein schönes Trinkgeld und ich schwinge mich aufs Fahrrad hierher. Zuallererst verankerte ich meine hausgemachten Koordinaten: Mainzer Landstraße, dreihundert Meter voraus, die Frankfurter Oper. Die hatte ich unzählige male umrundet, so dass ich von dem Bauwerk auswendig fast jeden Stein zeichnen könnte. Fatal, leider drehte ich jedesmal zu früh um. Das Auto wäre ganz simpel wieder zu erreichen gewesen, wenn ich kurz vor dem Parken ein wenig den Blick erhoben hätte, die Oper fixiert, und mir nicht den Navi-Bildschirm in die Netzhaut eingebrannt hätte. Meine kleine Reise ins Hessische hätte schlimmer ausgehen können. Gar nicht zu vergleichen mit dem Schicksal meines Schwäbisch Gmünder Nachbarn des genialen Malers Jerg Ratgeb.