Das war mir schon einen Gedanken wert. Durch meine Mutter wurde ich in die Welt geworfen. Ich war das zweite Kind von sechsen. Sie hatte sich immer um die Jüngsten gekümmert, und ich fühlte mich oft unterversorgt und ausgenutzt. Ich musste im Haushalt schwer mithelfen. Kohlen schleppen, das kleine Baby trockenlegen, ich war in vielen Arbeiten recht geschickt und deshalb der Depp vom Dienst. Mein Bruder Werner war schlauer, gab man ihm den Kohleeimer brach der Henkel ab, Tellerabtrocknen ja, der Sachschaden aber auch u.s.w. Rasenmähen, “spotz, schepper knall”, Motorschaden. Im Nachhinein ist es ganz logisch, die stärksten Gefühle der Mutter bekamen die Bedürftigsten, und das waren der Unglücksrabe Werner und meine weitern jüngeren Geschwister. Was soll’s, alles prima. Das Muttertagssinnieren: weg damit, nichts wie weg vom gedanklichen Rockzipfel.
Heute Morgen stürmte ich hinaus unter den sonnehellen Himmel. Ich fuhr der “Blauen Mauer”, auf den Albtrauf zu. In der Reutlinger Stadtbibliothek lieferte die promovierte Philologin Dr. Brigitte Bausinger mit Ihrem Kollegen Dr. Wolfgang Alber ein launiges Zwiegespräch, auch mit Texten ihres verstorbenen Ehemannes, des berühmten Kulturwissenschaftlers Hermann Bausinger. Mit gutem Grund ein Reutlinger Dorfheiliger. Seine Ehefrau ist mittlerweile 87 Jahre alt, nicht mehr optimal elastisch auf den Beinen, aber der Kopf, ein hellwach-luzider Treibsatz. Die Frau fasziniert mich, bei ihr knallen noch die Murmeln heftig aufeinander. Die Frau hat für mich Vorbildcharakter, ganz nach der Melodie, “kräftig afange und dann net nachlassa!”
Dann kam die Chefin der Ludwig-Uhland-Insituts für Kulturwissenschaften auf die Bühne erklärte was es mit der Tradition der Fasnacht auf sich hat. Es waren keine Zuhörerplätze mehr verfügbar, der Laden gesteckt voll. Übers Publikum wurde dann noch geistiges Juckpulver gestreut, das der darauf folgende Kabarettist Uli Keuler übers Volk warf. Der Vormittag hatte als Generalthema den Humor und das Thema wurde von diesem philosophischen Kabarettisten vollends ganz über die Wolken gehoben. Witz kommt von Geist, und so ging es gewitzt zu.
Recht beschwingt verließ ich die Stätte der Geistesblitze und kaum im Auto meldeten sich mein treuester Verbündeter, der Hunger und der Durst. Keine zehn Minuten später saß ich im “Stern” in Unterhausen, gleich unterhalb der Märchenburg Lichtenstein. Ein Bier, dann Grießklösslessuppe und danach Spargel mit Flädle, Hollandaise und gekochtem Schinken. Dass ich so etwas noch erleben darf. Die Klösschen und die Brühe richtig gut, der Spargel frisch gekocht und nicht aufgewärmt, die Flädle auch nicht aus Vorratshaltung, sonder à la minute extra für die Spargel frisch gebacken. Die Hollandaise, schwer okay, und der Schinken duftete außergewöhnlich und war ganz und gar kein Industrieprodukt. Kurzum, beste Zutaten und dann noch wissen wie man mit Ihnen umgeht, das war hier der Fall. Von einigen jungen Frauen wurde ich höchst flott und aufmerksam umsorgt. Der “Stern” ist ein bürgerliches Gasthaus, mit fachlichem Können, das in Sternelokalen oft nicht zu finden ist. Den letzten Satz halten sie vieleicht für etwas verwegen, aber häufig bekommt man in prämierten Futterplätzen anstatt Flädle, so etwas ähnliches wie wunderschön anzusehendes Fensterleder.
http://www.stern-unterhausen.de/