Vincents Tagebuch

Essig selber gemacht

von | 25. Mai 2020 | Allgemein

Für die kochende Alltagsbewältigung verwende ich Beutelsbacher Apfelessig.
Er ist fruchtig preiswert und aus echtem Apfelsaft. Vorsicht, es gibt auch Essige, die werden aus Holz gemacht. Essig kann auch zum Abenteuer werden.

Jetzt aber: Essig selber gemacht

Es gibt viele Essigsorten, aber großer Klassiker ist und bleibt der Weinessig. Wobei sich zu allererst die Frage stellt, wieviel Wein im Weinessig enthalten sein kann, wenn ein Dreiviertelliter gerade mal Einsfünfzig kostet, und ein halbwegs bekömmlicher Wein jedoch kaum unter vier Mark zu haben ist. Irgendwas stimmt da nicht, und das war womöglich zu meines Opas Zeiten schon so.

Bei ihm ging es aber um die reine Lehre, den echten Geschmack. Er machte sich seinen Stoff selbst. Und wie der Alte so der Enkel. Auch ich kam irgendwann dahinter, dass das Leben für schlechten Wein zu kurz ist.  Kurzum, vor dem Essig kommt der Wein. Dafür und für gute Qualität gibt noch andere Argumente. Friedrich Dürrenmatt beispielsweise:  Er pochte auf die unverseuchten Jahrgänge vor dem Reaktorunfall in Tschernobyl. Egal, was es noch für Gründe geben mag: Abends muss guter, kräftiger Wein auf den Tisch.

Doch der geübte Trinker weiß, wann Schluss ist. Eine Flasche kräftigen Roten schaffe ich nicht alleine, ohne Mitzecher bleibt mir jedesmal ein Stumpen übrig. Macht nix. Die Summe dieser Stumpen haben mittlerweile mein kulinarisches Dasein erheblich verbessert. Sie vermehren meine Essigvorräte. Ein großer Glasbehälter mit Deckel ziert die Küche.

Momentan habe ich nur Rotweinesig, weil meine Frau ihre Weißweinflaschen restlos ausnuckelt. Der Rotweinessig enthält Rudimente von Côte Rotie, Sassicaia, Château Haut Brion, Figeac und sonstigen Granaten. Sehr viel ist auch von meinem Sizilianer drin, sozusagen mein Alltagsbenzin. Letzterer hat den Vorteil, dass er nur 12,5 Prozent Alkohol hat. Mit Alkoholbomben aus Nappa Valley, Spanien, Italien u.s.w. hat man beim Essigmachen oft kein Glück. Bakterien sind Lebewesen und in hochprozentigem Alkohol nicht lebensfähig.

Es stellt sich die Frage, wie startet man seine Essigfabrikation? Was ist mit der Essigmutter los? Wo kriegt man die her? Geht es ohne diese gar nicht? Keine Angst, die Produktion kapiert sogar ein Kind: Eine Essigmutter braucht man jedenfalls nicht, denn Essigbakterien sind überall in der Luft. Deshalb den Wein getrost in das jeweilige Behältnis auf dem Küchenschrank kippen und darauf vertrauen, dass der Rest die Natur besorgt. Sicherheitshalber gebe ich ein Achtel Bio-Weinessig als Starterkultur dazu. Im Essig ist Wahrheit! Mehr als im Wein. Enthalten die Weine zuviel Schwefel oder sonstige Chemie, rührt sich im Essigbehältnis gar nichts, dann ist’s essig mit dem Essig.

Schlussendlich spannt über das Behältnis ein Tuch mit Gummiring drum herum. Ist der Essig auch recht sauer, kann man das Glas ganz verschließen. Sehr sauren Essig kann man mit viel Zucker richtig angenehm machen. Gibt man pro Liter 250 Zucker dazu und zwei Liter eingekochten roten Traubensaft (um 60% reduziert), so hat man wesentlich besseren Balsamico als das Industriezeugs. Echter Balsamico übrigens, ist nahezu unbekannt und nur etwas für Freaks die nicht arm sind, ein Achtelliter kostet um die 40 Euro und letztlich zum Salatanmachen nicht geeignet.

Essig selber gemacht