Das Kochen am privaten Herd geht nun bald zu Ende. Es war eine Zeit, in der ich Muse fand mich beispielsweise im Wesen eines Hefeteigs zu verlieren. Immer wieder überredete ich meine Frau, dass Sie Ihre unvergleichlichen Tomatenmakkaroni auf den Teller brachte. Immer wieder hatte ich gar keine Lust zum Kochen und in einer komatösen Corona-Überdrüssigkeit fand ich unter den Geheimnissen von Frau Elisabeths Küchenschrank einen kleinen Karton “Knorrs Erbswurst seit 1889”.
Vor Jahren las ich in der Zeitung, dass diese Ikone der Erstweltkriegs-Zwangsernährung auf den Schutthaufen der Historie entsorgt werden sollte. Die Heilbronner Firma wollte diese Mumie der Suppenlust loswerden. Also ergatterte ich mir bei Ebay ein letztes Kistchen, das im normalen Handel nicht mehr zu erjagen war. Meine Frau verstaute es im Schrank ihrer Kombüse und es wurde nie mehr gesehen. Nach zwei bis drei Jahren mit Corona, der zwangsweisen Beschäftigung mit sich selbst und der häuslichen Umgebung, begann dann der Kampf gegen die Langeweile und das großes Aufräumen nahm Fahrt auf.
Es begann auch eine Zeit des tieferen Nachdenkens, und den Möglichkeiten, dass man sich gewisser Akribie widmen konnte. Meine Erbswurstforschungen führten zur Erkenntnis, dass die Wurst nicht am Stück, sondern in Segmente eingeteilt, die Papierwurst bewohnte. Das Papier also aufdröseln und vier Zentimeter eines gelben Betons in den Topf bröseln und mit einem halben Liter Wasser auffüllen. In kaltem Zustand hielt ich den Handmixer in den Topf und schlug das Ganze bis zur Geschmeidigkeit. Dann auf den Herd damit und Vollgas. Da ich nebenher noch die mittägliche Ausleuchtung der Rosen vor dem Haus bewunderte, kochte der Topf über. Ich reagierte wie ein versierter Revolverheld oder mit der blitzenden Attacke eine Florettfechters. Der Topf wurde subito vom Feuer gezogen, die Suppenlache mit Küchenkrepp aufgesogen, der Topf dann schön geputzt, und bei sanfter Energie wurde drei Minuten weitergeköchelt.
Als Zweites folgte die Optimierung ohne die ein Schwabe sein Leben als vergeudet deutet, weil er weiß, dass Selbstzufriedenheit das Gift unserer Zeit ist. Einiger grober Pfeffer wurden ins Gebrodel gestreut und ein Hauch Ingwer wird hoffentlich die militärische Herkunft dieser Notverpflegung aufheitern. Eine feingeschnittene Lauchzwiebel gab der Kreation einen gewissen frühsommerlichen Charme. Aus dem Topf duftete es beachtlich aromatisch. Ich schöpfte die dampfende Suppe in eine Suppenschale und streute noch, um meinen tranquilen Herzmuskel aufzuscheuchen, etwas Chilibrösel auf das Ganze. Meine Frau weigerte sich dieses Artefakt deutscher Militägeschichte zu probieren. Sie meinte: “Vincent, ich achte darauf, dass nicht zwei alte Sachen zusammenkommen.”
Ich aber war im Glück und am nächsten Tag erfolgte gleich ein “dacapo” mit etwas frischem Thymian aufgejazzt.
Geblieben ist mir die Gewissheit, die jeder geistig, gut bestallte Philosoph bestätigen wird: “Wer lange suppt, der lebt auch lange!”