Während sich die Eltern im Bett womöglich noch um weitere Nachkommen bemühten, war mein Bruder mit mir bereits beim Kirchgang. Wir Buben hielten fest am kleinstädtischen Brauchtum, um der Pfarrgemeinde und den örtlichen, auf Ausguck lauernden Bürgern, den Nachweis zu liefern, dass in der Tierarztfamilie die Sitten im Lot und die Tradition behütet seien.
Klar, daß die Schuhe viel zu eng waren, der Bleyle-Anzug unerträglich pickte und an unseren pubertären Wadenhärchen beharrlich zupfte. Im Winter huschten wir frierend durch die Gassen. Im Sommer war es wesentlich verdrießlicher, wir schwitzten wie verrückt, was den feinmaschigen Wollanzug noch mehr an unseren Beinen kleben ließ. Auf Linderung hoffend staksten wir steifbeinig wie Westernhelden und in möglichst wenig erhitzendem Passgang der Ursache von Folter und Übel entgegen, der Pfarrei St. Franziskus. Es waren die Zeiten, in welchen man erst neue Kleider bekam, wenn die alten aus den Nähten platzten. Alles war zu eng, nicht viel anders drängten sich die Dächer über den Gassen, sie bogen sich über unseren Weg wie Wärmehauben über ein duftendes Menu, denn aus Fenstern und Türen drang erquickendes Odeur. Die Gerüche allerlei Sonntagsbraten zogen übers Pflaster wie sauwohl geschwängerter Bodennebel. Das verstärkte die Qual des Kirchgangs ungemein und addierte sich zu allem Malheur auch noch zu Magenkrämpfen. Ungehindert lief das Wasser im Maul zusammen.
Es mag sich heute unwahrscheinlich anzuhören: Jeden Sonntag gab es daheim und bei allen Nachbarn Braten vom Schwein, oder Rind, Kalb oder alle Fleischsorten gemischt. Für uns Kinder war die Fleischzuteilung des Vaters eher knapp. Wir hielten und an die Spätzle, die Soß, – und jetzt kommts: “Kartoffelsalat“. Das war der Eckpfeiler unserer Gourmandise. Das ist bis heute so geblieben. Kein echter Schwabe, dem es nicht genauso ginge. Selbst in der Wielandshöhe, die ja bekannt für feine Genüsse und für Grande Cuisine eine Adresse ist: Kartoffelsalat ist immer an Bord.
500 g Kartoffeln vorwiegend festkochend
1 kleine Zwiebel
3 EL Pflanzenöl (am Schluß muß sehr viel Öl zusätzlich dran, er muss glänzen)
1/4 l Brühe stark, kräftig, überwürzt, (aus Bio – Instant – Gemüsebrühe)
1 EL Essig (ich bevorzuge Apfelessig)
1 TL Feuersenf
Pfeffer und Salz, Instant Bio-Gemüsebrühe
Die Kartoffeln wie Pellkartoffeln weichkochen. Die über alles gerühmte Sorte Sieglinde ist mir meistens zu speckig. Zwar heißt es immer, die Kartoffeln müßten festkochend sein, was schön und recht ist, aber mir ist es wichtiger, daß die Kartoffeln, die Brühe, das Öl und den Essig gut aufsaugen. Dies auch auf die Gefahr hin, daß die Kartoffen unansehnlich zerfallen.
Der Kartoffelsalat muß wie es der ehemalige Baden – Württembergische Ministerpräsident einmal formulierte “soichnaß” sein, und der Wein dazu furztrocken.
Die Pellkartoffeln lauwarm abkühlen lassen, schälen und in feine Scheiben schneiden. An dieser Stelle Obacht, es ist grauenhaft, wenn im Kartoffelsalat Brocken sind. Aus diesem Grund greife ich schon seit langem zum Japan-Hobel. Sind die Kartoffeln gerädelt kommt die Brühe, über die Kartoffeln. Sie muß sehr, sehr überwürzt sein. Dann kommen 2 MS Salz, der Senf, grober Pfeffer und die Zwiebel dazu. Die Zwiebel schneide ich nicht mit dem Messer fein, sondern benütze eine Raffel dazu, so da alles fein ist und sich gut verteilt.
Nun die Hälfte des Öls darüber geben und erst jetzt alle Zutaten durcheinandermischenden. Versierte schwingen alles zusammen in der Schüssel, andere nehmen, zwei große Holzlöffel, am besten schmeckt er aber, wenn man ihn mit den Händen durchmischt. Während des Mischens probieren. Danach den Salat eine Halbe Stunde stehen lassen, meist muß dann noch Brühe, Essig und Salz hinzu, denn der Salat geht es wie uns allen, “lässt nach”.
Merke:
Die Zwiebeln werden erst kurz vor dem Servieren drangerieben. Menge je nach Belieben. Ohne die Zwiebel kann der Salat zwei bis drei Tage gut verschlossen und gekühlt aufbewahrt werden.
So darf man keinesfalls verfahren wenn (norddeutsch) Mayonnaise dabei ist.)
Und das noch: Sieht der Salat schön aus und die Kartoffelrädle sind nicht zerfallen, dann schmeckt der “Grombirasalat net”. Und weil Baden-Württemberg die Heimstatt der Firma Maggi ist, darf in der Wielandshöhe kein Maggi dran, aber privat, nach Maßgabe aller Schwabenomas, ist das große Tradition.
Auf der Wielandshöhe gibt es grundsätzlich Kartoffelsalat, heute mittag mache ich noch ein erklärendes Foto.