Vincents Tagebuch

Institution?

3. Oktober 2025 | Tagebuch

Hat man eine lange Tradition, ist man meist eine Institution. So etwas verpflichtet zu Qualität und Vernunft. In meinem Venedig-Buch lobe ich Harry’s Bar – und ich liebe sie, behalte sie in guter Erinnerung. Besuchen werde ich sie jedoch nicht mehr.

Das Carpaccio (30 Gramm gefrorenes Rinderfilet, 10 Gramm Mayonnaise und etwas Kopfsalat) kostet 58 Euro. Manche sprechen auch von 46 Euro. Das ist nicht Gastronomie, sondern Wucher – und der hohen Gastronomie unwürdig.

Der Preis wäre nur dann gerechtfertigt, wenn frisches Rinder- oder Ochsenfilet verwendet würde – und weil dieser Betrieb das Gericht schließlich erfunden hat. Soweit ich weiß, sind wir auf der Wielandshöhe weltweit die Einzigen, die es mit frischem Filet zubereiten. Und unsere Portion ist dreimal so groß – bei uns kostet sie 32 Euro.

Die Wielandshöhe ist bestimmt nicht billig, aber ich achte darauf, dass der Gast spürt, dass der Preis gerechtfertigt ist. In den letzten Jahren haben wir von unseren Gästen nie gehört, dass etwas zu teuer sei – im Gegenteil. Immer wieder wurde uns gesagt, dass wir preiswert seien. Genau genommen: den Preis wert.

Deshalb setze ich mich oft hin und esse ein Gericht. Ganz neutral frage ich mich: Ist es den Preis wert? Egal, was die rechnerische Kalkulation sagt – entscheidend ist das persönliche Gefühl eines realen Erlebnisses.


Tiefkühl erkennt man an geplatzten Zellen, die das Zellwasser entlassen.