Vincents Tagebuch

Gourmand? – Gourmet?

9. September 2025 | Tagebuch

im Jahr 2016 veröffentlichte ich ein Buch über Grimod de la Reynière (1758  1837) den Gründer der Restaurantkritik und mit ihm kam auch das Wort Gourmand in die Welt. Auch habe ich schon viel über den gastronomischen Philosophen Anthélme de Brillat Savarin (1755 – 1826) geschrieben oder über den ersten Großen Koch der letztlich die “Grande Cuisine” anschob, das war Antonin Carême. Es folgten große Könner wie beispielsweise Jules Gouffé. Um die Jahrhundertwende kam es zu einer große Modernisierung durch Auguste Escoffiér, dem Fernand Point in Vienne folgte. Bei Point gingen meine Vorbilder in die Lehre.
Paul Bocuse (1926–2018)
Jean und Pierre Troisgros
Alain Chapel (1937–1990)
Louis Outhier (1925 -2004)
Eckart Witzigmann bekam entscheidende Impulse bei Paul Bocuse und krempelte allsbald die Deutsche Plumpsküche (Wolfram Siebeck) um. Ich war mit meinem “Postillion” in Schwäbisch Gmünd voll dabei. Es war die Küchenrevolution der “Nouvelle Cuisine”, die in Deutschland geradezu extremistisch wucherte. Nicht aber im “Postillion”, nicht bei Lothar Eiermann in der Friedrichsruhe und nicht bei Eckart Witzigmann. Meine Frau und ich gönnten sich nie einen Urlaub, das Geld wurde in französischen Restaurants verfeuert. Von diesen Erkenntnissen profitiere ich noch heute. Finanziell waren wir deshalb notorisch abgebrannt. Man kann es sich im Leben aussuchen, entweder man füttert sein Bankkonto oder den Kopf mit Wissen. Insofern setzten wir die “Nouvelle Cuisine” damals nach französischer Methode um.

Heute widmen wir uns der Schwäbischen Küche auch mit französisch-Italienischer Anmutung. Auch wenn wir schwäbisch kochen, die französische Kochtechnik ist das a und o und hat komplizierte Regeln, sie ist sehr Personalintensiv, teuer, langwierig zu erlernen, und deshalb immer mehr, auch in Frankreich, in der Devensive. Wenige, insbesondere Alain Ducasse lehrt noch das weite Feld der “Grande Cuisine Français”. Köche neigen gerne zum Größenwahn und die Deutschen hauen sich gerne gegenseitug auf die Schenkel. Die Musik spielt aber nach wie vor in Frankreich. Berlin ist gegen Paris ein kulinarisches Elendsgebiet.

In dem intensiven Aroma der Grande Cuisine wuchs die Tochter Eva heran. Deshalb spricht sie nie von Gourmets, sondern als Kennerin Frankreichs, immer von Gourmands. Letzterer gilt in Deutschland als Vielfraß, nicht aber in Frankreich. Gourmets pflegen verfeinerte Speisenaufnahme, sie legen Wert auf Raffinesse, Status und Stil, haben viel Wissen, jedoch oft eine etwas protestantische Sinnlichkeitshemmung. In Frankreich, kreuzkatholisch wie Italien ist da ganz anders. Dort ist der Gourmand sehr positiv besetzt, gilt als genussfreudig, leidenschaftlich, auch ab und an über das Vergnügen hinaus. Er ist so wie ich, ein Genussmolch.

 

Das Buch, die Geschichte der Kochkunst und der ersten Restaurants, ist für einen wirklichen Feinschmecker unerlässlich. Es ist immer noch im Handel erhältlich.