Vincents Tagebuch

Ungeliebte Wissenschaft

von | 11. Juni 2024 | Tagebuch

Die Wissenschaft wird in Deutschland ziemlich missachtet, so stöhnt es aus dem Denkerolymp allenthalben. Trotzdem hat sich manches gebessert und das verdanken wir der amerikanischen Wissenschaft. Sie ist weitgehend auf Privatfinanzierung angewiesen. Das bedeutet, dass Privatleute auch verstehen müssen, wofür sie ihr Geld geben.
In Deutschland werden Universitäten vom Staat beglückt, offensichtlich nicht ausreichend. Insofern müssen Geldgeber von Außerhalb her, man ist auf der Jagd nach Drittmitteln. Je nachdem aus welcher Ecke sie fließen ist man dem Geldgeber, der Industrie oder sonstigen Institutionen, auch Gefälligkeiten schuldig. Da stößt die Freiheit der Wissenschaft an schmerzliche Grenzen.

Jedenfalls um die Gunst des gemeinen Volks muss man sich nicht so sehr kümmern, sondern mehr um das Drittmittelbakschisch, um Wissenschaftseitelkeit und Hierarchie den Konkurrenzneid der Kollegen. Dies gilt auch für Geisteswissenschaften. Und das sei gleich gesagt, es sind nicht alle so.
Hier aber als Beispiel, ein Satz aus der Eitelkeits-Arena der Wissenschaftsschreibe.

“Es fragt sich: Kann Deutschland zu einer Praxis à la hauteur des principes gelangen?”…

à la hauteur des principes wird in der Fußnote erklärt und bedeutet “die sich auf die Höhe der Prinzipien erhebt.” Warum schreibt der Wissenschaftler nicht verständliches Deutsch? Wenn ja, sähe der Satz folgendermaßen aus: “Kann Deutschland zu einer Praxis auf die Höhe der momentanen Prinzipien gelangen?”

Letzterer Satz wäre ja schon geschwollen genug, ist aber für einen deutschen Wissenschaftler nicht ausreichend, denn er will nicht vor uns Bürgern glänzen, sondern in seiner Fachwelt herumgockeln. Es gibt sehr viele Doktorarbeiten und wissenschaftliche Essays, die in drei Sätzen erklärt wären, doch es muss ja ein Buch, wenigstens eine Broschüre daraus werden. Folglich wird die Buchstaben-Luftpumpe aktiviert…

P.S. Ein Satz könnte Obiges ziemlich ersetzen: Die Wissenschaft benötigt für ihre Unabhängigkeit mehr staatliche Förderung. Das Einzige, das uns auf dem Weltmarkt überleben lässt ist Vorsprung an Wissen und Innovation.

 

 

Im Kloster Citeaux fotografiert: Wenn man mit Worten nicht mehr weiterkommt? Man achte auf die unglaubliche Dynamik und Lebendigkeit. Den Begriff "dunkles Mittelalter" sollte man tunlichst meiden.