Vincents Tagebuch

Eiskaltes Businessreservat

von | 27. März 2024 | Tagebuch

Nun ist der Guide Michelin wieder neu erschienen und die Sozialen Medien überschlagen sich. Die Berichterstattungen durchrüttelt mich, als befände ich mich inmmitten einer Fussballweltmeisterschaft. Es wird versucht die ganze Kocherei besser messbar zu machen, zur Sportart zu erniedrigen.
Mir kann es egal sein, mit meiner Frau startete ich vor genau 50 Jahren mein Restaurant “Postillion” in Gmünd. Vier Jahre später  hatten wir den Michelinstern. Das war hilfreich, das Ziel war aber nicht der Michelinstern, sondern das Geldverdienen. Heute noch läuft es mir, – sicher ein Dauer-Mentalschaden -, kalt den Buckel runter, wenn ich eine Bank betrete. Gottseidank welken dort mittlerweile nicht mehr die Palmen, wenn ich hineinspaziere.

Nun macht das Sterne-Restaurant Ritzi dicht. Für den begabten, gescheiten Koch Ben Benasr ist dies momentan sicher schmerzlich. Ich sehe es für Ihn aber als Glücksfall. Eine solcherart Luxuslocation in einem eiskalten Businessreservat, unter der Knechtschaft seelenloser Investoren, in der Nähe eine Katastrophenbahnhofs, umgeben von grauenhafter Infrastruktur, von Großbaustelle und unzähligen Kleinbaustellen, dort kann auf die Dauer kein sinnliches Vergnügen aufkommen, wie das freudige Esser erleben wollen. Ich war nie dort, sicher wegen meiner Phobie gegen Hedgefondsbiotope, die ich in der Gegend vermute.

Ben Benasr kann richtig gut kochen und ist ein erfahrener Gastronom und Gastgeber. Er wird hoffentlich um Designerbuden mit obszönen Mietpreisen einen großen Bogen machen. Um ihn und seine Tüchtigkeit mache ich mir keine Sorgen und wünsche viel Glück für ein zweites, besseres Berufsleben.