Vincents Tagebuch

Ragout vom Sommerreh

von | 12. Juli 2023 | Allgemein

Ragout vom Sommerreh

1          Rehschulter
2 EL     Butterschmalz (Olivenöl)
2          Zwiebel
1          Karotte geschält
1/4       Sellerieknolle geschält
1          Knoblauchzehe
20g      gerauchte Speckwürfel
2 EL     Essig Apfelessig mein Allzweckessig
1 TL     zerdrückte Wacholderbeeren
1/4 l     Rotwein
Salz und Pfeffer, etwas Marmelade.

Die Rehschulter entbeinen und von den gröbsten Sehnen befreien, und Pfeffer undSalz wird dem Gericht erst am Schluss beigegeben, da der Speck meist schon reichlich Salz enthält. Das Fleisch in 3 cm große Stücke schneiden und mit etwas Fett in einer vorgeheizten Pfanne auf großer Flamme mit dem Speck, den feinst geschnittenen Zwiebeln und dem in dünnste Scheiben geschnittenen Gemüse rundum bräunen. Wir sind an dem Punkt, an dem fast alle einen großen Fehler machen, indem anschließend der Topf zu einem Viertel mit Brühe oder Wasser, oder Wein aufgefüllt wird. Grottenfalsch!

Wir drosseln das Feuer und es wird gemütlich weitergeröstet. Droht etwas anzubrennen, geben wir 2 El Wasser (dazu Brühe wäre ideal) und lösen den Bratensatz. Soviel Geduld muss sein. Das treiben wir in dieser Art mindestens eine Viertelstunde. So entstehen Röstaromen und alles bekommt gute Bräunung. Bei allen Schmorgerichten sollte man die Geduld aufbringen, mindestens eine Viertelstunde mit Rösten und Ablöschen verbringen. Fatalerweise wird Ablöschen immer mit Auffüllen verwechselt. Merke: Auffüllen bedeutet das Ende des Schmorens und wir sind in der Nähe von braunem Siedfleisch. Die Brühe wird kräftig, das Fleisch laugt aber aus und wird trocken.

Mit Eckart Wizigmann habe ich mich mal lange unterhalten, er war mit mir einer Meinung, das mit viel zuviel Flüssigkeit gekocht wird. Klar man kann ja alles einkochen und reduzieren, aber mit der ausufernden Reduziererei entfleucht unendlich viel Aroma in den Äther und erfreut die Egelein. Was sich aus dem Topf verflüchtigt, der Duft der ganze Gegend beglückt, all die Reize sind naturellement nicht mehr im Topf. Witzigmann meinte, auch die Drei-Sterne-Saucen von heute wären überreduziert, hätten viel Kraft aber keinen Duft mehr, sondern sind dünnem Teer ähnlich.

Soweit so gut, wir haben etwa drei fingerbreit Fond im Topf und nun kommt das Wichtigste, besorgen Sie sich für ihren Topf einen dicht schließenden Deckel. Für solche Gerichte sind natürlich Gußeisentöpfe mit schwerem Deckel ideal.

Das Fleisch lassen wir nun mit allen anderen Zutaten, auch den Pilzen eine Stunde simmern, auf niedrigster Garstufe. Immer wieder kontrollieren und kräftig umrühren, denn die Zwiebeln und das Röstgemüse sollten möglichst zu Mus zerfallen und eine gewisse Bindung erzeugen. Wenn nötig mit etwas Rotwein den „Wasserstand“ halten, damit am Topfboden nichts ansitzt.

Mit einer Gabel in ein Fleischstück stechen und prüfen ob es sich locker wieder löst. Schlussendlich muss ein Stückchen ­­probiert werden. Sehnenreiche Stückchen sind die saftigsten, aber sie müssen weich sein. Schiere Stückchen sind schneller fertig, die evtl. früher entnehmen. Man macht das auch beim Gulasch, nämlich das Ragout „ausstechen“, die weichen Fleischstücke auf einem Teller abgedeckt parken. Sind die zäheren Stücke im Topf weich, fast zerfallen, mischen wir zwei Esslöffel Mehl mit Wasser an und rühren es umsichtig ins Gebrodelt, nach und nach, bis wir die gewünschte Sämigkeit erreicht haben. Abschmecken mit etwas Essig, Salz und Pfeffer, und sehr vorteilhaft, mit irgendeiner Marmelade das Gericht in Balance bringen.

Dieses Rezept, mit anderer Würzung und anderer Garzeit, eignet sich auf für Kalbfleisch, Rindfleisch oder Geflügel. Ragouts sind übrigens die Zierde der französischen Hochküche.