Vincents Tagebuch

Auf d’r Sau naus!

von | 14. April 2023 | Allgemein

Vor einigen Tagen gab ich gemeinsam mit dem Fußballprofi und mittlerweile veganem Gastronomen Timo Hildebrandt der Stuttgarter Zeitung ein Interview. 

Irgendwann platzte ich damit heraus, dass der Fleischproduzent Clemens Tönnies eigentlich ins Gefängnis gehöre. Davon nehme ich nichts zurück, will allerdings zu seinen Gunsten einräumen, dass der Herr Tönnies nicht darüber hinaus schuldig ist, als die Leute, die ihm sein Zeugs abkaufen.

Dem Metzgerberuf halte ich seit Jahren die Stange und Wurstmachen ist eine Leidenschaft von mir. Für unsere Aussagen gab es von den Lesern volles Lob, mit einer Ausnahme. Der Mann war aber offensichtlich nicht der Schlaueste. Der Protestler warf mir vor ich würde das Metzgerhandwerk schädigen, und er sei Metzgersohn. Der Mann war sauer. Ja, ich hatte dem Interviewer deutlich gesagt, dass Herr Tönnies eigentlich ins Gefängnis gehöre. Der Protestler hatte offensichtlich nicht kapiert, dass die EU mit ihren durch Lobbyisten der Nahrungsmittelindustrie, das echte Fleischer- oder Metzgerhandwerk nahezu ausgerottet hat. Die EU-Schlachthöfe waren geboren. Tausende kleine Land-Schlachtereien mussten geschlossen werden, Betriebe die zumeist zwischen 6 und 20 Schweine in der Woche schlachteten. 

Ich bin an der Rinderbachergasse aufgewachsen. Die Gasse ist ungefähr 600 Meter lang und es gab dort 3 Bäcker, 3 Metzger und ein Milch-und Käsegeschäft. Mein Vater war in Schwäbisch Gmünd auch Chef des Schlachthofs, dort für das gesamten Kreisgebiet der Stadt wurden wöchentlich 200 Schweinen geschlachtet, hinzu kamen dann noch die Dorf und Landmetzgereien. Mein Vater war als städtischer Veterinärdirektor für die 60 Metzgereien der Stadt und der eingemeindeten Orte verantwortlich. In der Gasse meiner Heimat gibt es jetzt noch einen Bäcker und die Metzgereien sind alle verschwunden.

Die EU erledigte alles äußerst Regelkonform, sie erließ wahnsinnige Hygienegesetze, die selbst einer Dorfmetzgerei eine Millioneninvestition aufbürdete.  Das war dann das Ende der meisten kleinen Metzgereien. Der Schlachthof Stuttgart, zu meiner Jugend eine Institution, musste Schließen, und selbst die Gourmetstadt Straßburg musste ihren Schlachthof dicht machen, der ist jetzt weit auf dem platten Land in Lothringen. Zu allem Unglück kommt noch hinzu, dass die Schlachttiere nun meist einen langen Transportweg haben, die Tierquälerei also beginnt, sobald die Tiere den Stall verlassen und in den Laster gedrängt (oft geprügelt) werden.

Die niederländisch-belgische Firma Vion in Crails­heim ist ei­ner der er­folg­reichs­ten deut­schen Misch­be­trie­be, in dem heu­te pro Wo­che, in Crailsheim 21.000 Schwei­ne und 2.300 Rin­der ge­schlach­tet und zer­legt wer­den. 

2020 schlachtete die Unternehmensgruppe von Herrn Clemens Tönnies insgesamt 20,8 Millionen Schweine, davon 16,3 Millionen Schweine in Deutschland. Das sind an 260 Arbeitstagen im Jahr, täglich 62.000 geschlachtete Schweine. Ein Schwäbischer Fluch der Verzweiflung geht so: “Do könn’scht auf d’r Sau naus”.

PS: Herr Clemens Tönnies muss nicht ins Gefängnis, da müssten seine Kunden, die halbe Republik auch in den “Doofes” (schwäbischer Ausdruck für Knast).