Lieber R…
vielen Dank für Deine Mail. Daniel Humm, der jetzt in New York kocht, diesen Koch kannte ich auch nicht, aber gute Köche, wie auch Modeköche gibt es mittlerweile massenhaft. Die gastronomische Szene interessiert mich aber seit Jahren nicht mehr, da wir letztlich das Gegenteil machen als der artistische Mainstream. Es hat ja alles seine Berechtigung, und jeder Koch muss sich seine Kundschaft zusammensuchen. Fast alle werden allerdings schnell berühmt und verschwinden dann auch wieder. Das liegt daran, dass sie nicht das Kochen was Ihnen wirklich schmeckt und sich aus ihrer Herkunft und Ihrem Leben entwickelt hat. Viele kochen an den medialen Vorgaben entlang, rackern sich für Moden ab, pflegen ihr Ego und wollen Künstler sein. Es kommt so zu einer suchend-nervösen Berufsstruktur, die dem Zappen beim Fernsehen ähnelt. So etwas funktioniert einige Zeit, aber eine Stammkundschaft kriegt man auf diese Art nur schwer zu einem Treueverhältnis. Diese will zwar Abwechslung, sucht aber in erster Linie eine Heimat und keine hektische Vielfalt. Der wirkliche Feinschmecker besucht immer wieder ein gutes Lokal, will aber nicht jedesmal ein anstrengendes Event, sondern auch geruhsame Erwartungen erfüllt haben. Deshalb kocht die Wielandshöhe altmodisch, aber immer mit moderner Weiterentwicklung, mit dem Blick auf Gemüse, Vegetarisch, verbiegt nicht die Natur und serviert im höchstens einen Fleischgang.
Tochter Eva besuchte letzte Woche ein Sternelokal in Straßburg und fand die Klage von Alain Ducasse bestätigt, dass die klassische französische Küche sich kaum weiterentwickle. Zahlreiche Ausnahmen gibt es selbstverständlich. Das Mittagsmenü: Entenleber gebraten, dann Hummer und als Hauptgang Kalbsbries. Gemüse fand nicht statt. Ganz klar, alles mit guten Sößchen, es hat sehr gut geschmeckt, aber die Schwerverdaulichkeit hielt lange an.
Liebe Grüße von Old Vincent