Vincents Tagebuch

Von der Nähe und der Distanzlosigkeit

von | 30. Juli 2021 | Allgemein

Bis man mein Alter erreicht hat hebt man zwar nicht unbedingt ab, aber man erhebt sich über Unerhebliches. Nicht dass man nette Leute wegkippt, aber nett genügt nicht mehr. Ab dem Siebzigsten Lebensjahr wird die Zeit knapp und die Messlatte des Ertragens an Artgenossen schiebt immer höher.  

Es braucht irgendwann möglichst großkalibrige Charakter in der Nähe. Das sind manchmal Leute die ganz versteckt leben und die man erst nach großer Weile kennenlernt. Leute die oft unbeabsichtigt ganz langsam ihre Qualitäten freigeben. So einer ist Gerald von Foris, den mir das Schicksal als Begleiter für das Wienbuch und das kommende Venedigbuch zugeteilt hat.

Mit Gerald von Foris vier Tage in Venedig, ständig aneinander gekettet durch die Arbeit, fiel mir nach getaner Arbeit und wundgelaufenen Füßen, der Abschied schwer. Er zuckelte über Udine, gemächlich nach München. Ich schwang mich im Marco-Polo-Flughafen in die engen Sitze des Billigstfliegers, um dann in der Hölle des Frankfurter Flughafens exzessives Fluchen zu üben. Nie mehr Frankfurt Airport. Ich hatte sowieso den Vorsatz nie mehr zu fliegen, aber für’s neue Buch musste ein Titel- und Katalogfoto her. Alles sollte ruckzuck gehen, da meine Gäste mich nicht in Venedig, sondern auf der Wielandshöhe haben möchten. Tja, und etwas Wichtigeres als meine Gäste kenne ich kaum.  

Der Drang nach Hause drückte aufs Gemüt, dann aber der Gewaltmarsch vom Airport zur Deutschen Bahn, dieser Inkarnation des Unglücks. Verspätung, Signalstörung übers ganze Land verteilt, Bullenhitze, und kein Vorwärtskommen. In Mannheim war dann ganz Finito und irgendwann, zerstört an Leib und Nerven, war ich wieder auf der Oase des himmlischen Wohlbefindens, der Wielandshöhe. 

So, und das ist mir eigentlich noch nie passiert, aber nun passiert es eben doch. Ich will für diesen Künstler die Werbetrommel rühren. Aber Vorsicht, niemand tue sich Zwang an. Seine Fotos sagen den meisten Leuten nichts. Will man sich mit seiner Arbeit beschäftigen, sollte man vorher das Sehen gelernt haben, sich zumindest beim Betrachten seiner Bilder Zeit lassen. Ich will niemand überreden, aber so mancher hat beim Betrachten vielleicht ‘a Freud’.

https://shop.suolocco.de/publikationen/31/ich-hatte-zwar-eigentlich-lamm-bestellt?c=5 http://www.geraldvonforis.de