Geistere ich irgendwo durch die Pampa und bekomme Hunger, dann ist guter Rat wichtig. Ganz wichtig sind mir die Bib-Gourmand-Lokale. Sie sind nach dem Michelin-Männchen (Bibendum) benannt. Das sind Küchen, die handwerklich gut kochen und mich nicht mit exotischen Aromaexplosionen in die Wolken befördern möchten. Letzteres ist oft ein wunderbares Erlebnis, denn Effekte bereichern das Leben. Sie nutzen sich aber schnell ab. Die Folge ist, dass solchen Restaurant die Gäste gerne abhanden kommen, oder nur solche den Laden aufsuchen, die alle paar Jahre mal Geld locker machen und dann natürlich den Superknaller erwarten. Das hat natürlich alles seine Berechtigung, denn ich bin ja kein Ernährungsstalinist.
Ich liebe es aber genau umgekehrt und genau das genau das, was ein wichtiger Restauranttester abschätzig als Redundanzesser bezeichnet. Das sind Genießer die gerne das gleiche Essen.
So esse ich bei meinen wenigen Besuchen im Dreisternelokal „Auberge de l‘Ill“ bei den Haeberlins immer den unvergleichlichen „Saumon Souffle“, und das seit 1974. Bei Paul Bocuse muss es die Trüffelsuppe sein, oder der „Loup en Croûte“. Wer geht schon alle Woche in ein Sternelokal?
Das ändert nichts daran, dass ich Dreisternegastronomie mittlerweile, teilweise als Obszönität ertragen musste. Oft entfernt sich die Küche für meinen Geschmack zu weit von der Natur. In Frankreich, insbesondere in Paris ist es ganz schlimm. Durch die hundsgemeinen Mietpreise und vertrickste Rezepte, konstruierte oder dekonstruierte Kreationen, verteuert sich ein Menü dermaßen ins Astronomische, dass wirkliche Feinschmecker vertrieben werden. Hauptsächlich Investoren, Banker, Investmentfuzzis bis hin zu Waffenhändlern, können sich diese Restaurantpreise leisten. Aus denselben Gründen mag ich die finanzielle Hybris des Profifussballs nicht. Inmitten der Leidenschaft des Fussballs diskutieren in Deutschland 80 Millionen Trainer und Schiedsrichter, die noch nie einen Fußball in der Hand gehabt haben. In der Sternegastronomie verkehren höchsten 1 Promille der Bevölkerung als Feinschmecker, aber Millionen diskutieren über das Phänomen der Michelinsterne, als handle es sich um eine Sportart. Es geht meist nur noch um Ranking und nicht um Inhalte. Was soll also der ganze Hype?
Nun ja, er sorgt dafür, dass der Guide Michelin im Gespräch bleibt. Aber egal, den Michelin muss es zur Orientierung geben, vielleicht auch damit man die Dreisterne-Restaurants umfahren kann und dafür zu guter Küche findet, in der sich die Effekte sich in Grenzen halten.
Meine Lust auf Restaurants mit einem oder zwei Sternen ist ungebrochen und der Guide eine wirkliche Hilfe. In den Bib-Restaurants erlebe ich aber meine angenehmsten Überraschungen. Das Einzige was mich ein bisschen ärgert und warum ich den Michelin-Granden trotzdem gerne ein Ei an den Kopf werfen möchte, das gehört in die Rubrik Diskriminierung. In Bib-Restaurants darf das Dreigängemenü nicht über 36 Euro kosten. Davon kann aber gute, auch einfache Küche (die immer schwierig ist) auf Dauer nicht leben. In Folge dieser Beschränkung fallen viele sehr gute Restaurants durchs Sieb. Dies nur, weil sie ihr Personal gut bezahlen und sich die Wirte nicht selbst ausbeuten möchten.
Die Bib-Restaurants gibt es sicherlich schon zehn Jahre, da könnte man doch, auch unter Berücksichtigung der Arbeitsschutzgesetze, auf 46 Euro erhöhen. Wer es billiger haben will, soll es machen wie die alten Schwaben: Viel Essen, gut Essen und das Zuhause.