Vincents Tagebuch

Vegetarische Nahrungsverbrechen

von | 2. Oktober 2019 | Allgemein

Für das Vegetarische und Vegane gibt es viele Gründe, gute Gründe. Ich frage mich, warum aber schmeckt solches Essen nur selten wirklich gut. Ist es so wie mit der Oblate, die mir als Jugendlicher in der Klosterschule auf die Zunge gelegt wurde. Manch meiner Mitschüler geriet in Verzückung, auch die Gesichter ergriffener Omis wurden plötzlich faltenlos. Der stumpfe Blick wich strahlenden Äuglein. Auch gelang es mir erst zweimal, dass ich koscheres Essen strenggläubiger Juden mit Genuss verzehrte. Die Oblate schmeckte beschissen, oder besser gesagt nach gar nichts und bei den Zionisten konnte ich nur ganz selten einen guten Geschmack erfahren. Muss Essen, das mit Ideologie und religiöser Sinndichte, oder Ideologiegequase gekocht wird, muss das gar nicht schmecken? Es ist ja von vorne herein wegen des mentalen Glückstransports schon so gut und beglückend, dass man zu tun hat nicht in Ohnmachtszuckungen auf die Knie zu sinken und das Schmecken ganz vergisst.

Nun befinden wir uns an der Zeitenwende zum Fleischverzichts. Niemand will aber wirklich verzichten, deshalb werden Pflanzen so lange im Labor traktiert bis sie nach Tier schmecken. Mit Nachhaltigkeit, Vorsorge, CO2-Sparen, mit Vernunft und Gesundheit hat das so gut wie nichts zu tun, mit Wohlgeschmack ganz und gar nicht, sondern mit Gewinnmaximierung der Nahrungsmittelindustrie, die von blutigem Junkfood auf pflanzlich-chemisches Junkfood gewechselt hat.

Schaue ich in Rezeptbücher gewisser Ernährungsgurus und sonstiger Trittbrettfahrer (innen), welche die Nahrungs-Hypochondrie befeuern, so geht es um alles, aber nicht um Wohlgeschmack. Da werden die Kalorien gezählt, da geht es um isoliertes Erbsenpüree (von was isoliert?), um Vitamine, um Wrestling gegen freie Radikale, um Vergewaltigung der Sojabohne, um Eiweiß und alles was es braucht um einem Burnout zu entgehen, weil sich die User zu sehr mit ihren Blähungen beschäftigen müssen. Müllhalden von Kochratgebern erklären Rezepte in der Art von Beipackzetteln der Pharmaindustrie. Man kocht es nach und es schmeckt nur, wenn man feste an seinen hundertsten Geburtstag glaubt. Die Leute, die Ernährungsberater, die Schriftsteller des kulinarischen Nonsens, bemühen sich die Rezepte für jeden Deppen zu erklären. Ich habe aber den Eindruck, dass fast keiner der Autoren kochen kann und den Jüngern all dieser Ernährungsdoktrinen schmeckt es nur, weil sie in die Nähe einer Gesundheitshybris geraten sind.

Der Wunsch nach gutem Essen wird kaum befriedigt, sondern es geht um den Kampf einer gewissen Lebenshaltung gegenüber einer andren. Da steht nicht nur die Schnitzelfraktion den Jesuslatschen gegenüber, sondern der Vegetarier wird immer mehr der Feind des Veganers, der kein Ei isst, weil ungeborenes Leben zu verspeisen Mord ist. Die Heuchelei allerorten nimmt zu und man ist froh, dass es noch einige bekennende “Schlechtmenschen” gibt. Warum aber überlassen die Gutmenschen ihren heheren Lebensentwurf der Nahrungsmittelindustrie. Wer sich Gedanken über das Essen macht, der macht sich doch immerhin Gedanken. Vorwiegend sonnen sich Vegetarier oder Veganer mit höherer Schuldbildung. Ich frage mich, haben diese Leute so dickes Leder auf der Zunge, dass Sie nicht mehr schmecken können, um mit als gesund deklarierten Analysen ins kulinarische Glück stolpern? Haben diese Leute ihr Abi im Lotto gewonnen, haben sie ihre ganze Schulbildung auswendig gelernt und dann alles vergessen? Meine Antwort hat mit Herdentrieb zu tun. Vieles wird gelebt und kopiert, im Glauben, die Mehrheit würde alles richtig machen. Mit dem Individualismus ist es um so mehr ein Dilemma, um so mehr er propagiert wird.

Die gute Meldung ist, wir könnten uns kein Kalbsbries mehr besorgen, wenn dies so beliebt wäre wie glutenfreie Pizza.