“Zuviel” ist der Feind des Genießens.
Der Kapitalismus liebt die Jugend, nicht weil er sie ach so gern hat, sondern weil er ans Geld will. Und die Jugend will auch unterhalten werden, und zum Feierabend muss ein Afterwork-Hangout her, gewohnheitsmäßig jeden Tag. Die Alten haben schon fast alles und die Jugend ist im Aufbau, Wohnungseinrichtung, Auto, Kinderwagen, angesagte Outfittery-Klamotten, um unter anderem dem Umfeld zu gefallen. Der Durchschnittverbrauch in der Event-und Barista-Gastronomie liegt bei ungefähr 20 Euro.
Nicht nur junge Leute, alle, von sieben bis siebzig, wollen unterhalten werden. Dazu braucht man immer weniger ein Gegenüber, sondern es reicht bei jungen Menschen das Smartphone mit Ohrenstöpseln. In den Köpfen wird es immer konfuser. Die Schnäppchenmentalität hat auf die Gedankenwelt übergegriffen. Es bleibt oft nur noch das Dranhängen an die allgemeine Schwarmdummheit.
Eine Idee nachhaltig zu verfolgen, die Geduld aufzubringen sich in etwas hineinzuarbeiten, das alles schwindet. Selbst beim Weintrinken beobachte ich ein umgekehrtes Verhalten wie ich es beim Genießen pflege. Ein richtig guter Wein wird mit jedem Glas besser, und heute ist es so, dass eine Amuse-Bouche-Kleinigkeit der anderen folgt und begleitend immer ein anderer Schluck Wein. Man hat seine Freude, aber im Kopf bleibt weing zurück. Da mag man froh sei, dass alles fotografiert wird und wenigstens die Freunde oder wissen was los war.
Vielfalt ist das Zauberwort, aber vom „Zuviel“ redet niemand. „Zuviel“ ist der Feind des Genießens. Die Vielfalt ist der Götze der Zeit. Alle wollen alles haben, aber sich nicht wirklich auf etwas völlig einlassen.
So werden auch immer mehr solitäre Speisen zu Grabe getragen und von den Medien die seltsamsten Speisen-Kollektionen besungen. Ein Lammhaxe mit Böhnchen und Kartoffelgratin muss mittlerweile ein Dreierlei vom Lamm sein und zusätzlich bebröselt mit allerlei knuspriger Tarnung obenauf. Herrliche Gambas werden zu einem Crossover aller Gewürzen des Erdballs gesampelt, überhaupt seit Kollege Schubeck in den Gewürzhandel eingestiegen ist. Tapas, ursprünglich ein Happen, mit dem sich der Caballero ein Zwischenhoch in den Alltag medikamentierte. Hierzulande werden diese Köstlichkeiten von unwissenden Köchen zu Menü zusammen geklumpt. Ein spanisches Abendessen hat mit Tapas gar nichts zu tun.
Nun könnte ich unendlich weiterlamentieren, aber jetzt kommen gleich die Mittagsgäste, 50 an der Zahl. Vorwiegend beleben ältere Feinzungen das Mittagsgeschäft.
Kurzum die Gastronomie kämpft um die jungen Leute und die wirklich zahlungskräftige Kundschaft zwischen 40 und 70 Jahren wird gerne vergessen. Das kann mir altem Kochfossil natürlich nicht passieren.