Knoblauch – Allium Sativum, Wind-, Alters- oder Magenwurzcl, Stinkzwiebel:
Es soll von einer problematischen Zuneigung berichtet werden. Von einem Würzgemüse, das den einsamen Genießer noch einsamer macht oder ihm nahestehende Menschen, die seine duftende Weltanschauung nicht teilen, den Kontakt übers Haustelephon suchen lässt. An einer großen Tafel hat Knoblauch etwas Verbindendes: man transpiriert – da Knoblauch in die Blutbahn gelangt -, aus Hals und Rippen gemeinsam, sozusagen orchestral innerhalb einer durchaus elitären, feinschmeckerischen Ghettosituation. Dies war nicht immer so, denn die oberen Bevölkerungsschichten, bis zurück in die Antike, assoziierten den Duft des Knoblauchs mit Armut und Landbevölkerung.
Dennoch findet das Liliengewächs in der Literatur seit sechstausend Jahren anerkennende Erwähnung und wurde selbst mit germanischen Runen beschrieben. Dies, obwohl Knoblauch aus Asien stammt und über die mediterranen Länder und den Balkan erst spät zu uns gelangte.
Heute befindet sich das größte zusammenhängende Anbaugebiet nicht weit von San Francisco in den USA: Dort in Gilroy werden jährlich achtundsechzigtausend Tonnen produziert (der Countrysänger Will Rogers versichert, dass in dieser Gegend zur Erntezeit ein Steak vortrefflich an der Wäscheleine mariniert werden kann).
In Europa befinden sich wichtige Anbaugebiete in Ungarn, in der Tschechoslowakei, in Frankreich und Italien. In der Nähe der Stadt Nürnberg liegt das einzige deutsche Anbaugebiet, das »Knoblauchland«. Guter Knoblauch ist fest, die Zehen sollten leicht rosa getönt sein. Knollen mit kleinen Zehen sind scharf, die größeren schmecken leicht süß. Um sie zu schälen, schneidet man die oberen und unteren Enden ab und löst ringsum die Haut; so lassen sie sich als Ganzes verwenden und entwickeln nur zarte Wirkung. Noch milder (sozusagen knofeliges Standgas) wäre es, die Zehe ungeschält mitzukochen und auf diese Weise trotzdem handfestes mediterranes Brauchtum zu suggerieren.
Die Kunst des Kochens — sie hat ja ursprünglich einiges mit Apothekerei und Medizin gemein – liegt in der Dosierung. Der richtige Umgang mit Knoblauch ist also nur eine Frage des Quantums. Jeder Zerkleinerungsmethode wird eine verschiedenartige geruchliche Umweltbelästigung zugeordnet. Allerlei Spekulation! Letztendlich reagiert jeder Körper anders darauf, der eine mehr, der andere weniger. Und auch dies wiederum ist nicht bewiesen, da nasal abgestumpfte Mitmenschen eine exakte Statistik nicht zulassen. Schneiden Sie den Knoblauch also, hacken Sie ihn oder drücken Sie ihn durch die allseits bekannte Presse. Für Minimalisten noch der Hinweis, mit der geschälten Zehe einfach nur die Schüssel oder den Topf auszureiben. Für den Genuss gibt es kein Reglement, doch möge man beachten, dass das zu bekochende Objekt, sei es eine Lammkeule, ein Huhn oder irgend ein Fisch, auch bei geschlossenen Augen noch geschmackssensorisch identifiziert werden kann.
Beim Rezepten, wie beispielsweise Kaninchen, das den Feinschmecker nur mit geringem Eigengeschmack aufwartet, steht einem Knoblauchbombardement nichts im Wege. Aber Vorsicht, das Aufmunitionieren mit Knoblauch geschehe nach eigenem Gutdünken, denn jeder verfügt über eine individuelle Peristaltik und innere Kabalen.
Knoblauch ist freilich nicht nur eine Genuss-, sondern auch eine Heilpflanze mit erstaunlichen pharmazeutischen Eigenschaften. Er enthält zu Wasser, 15% Kohlenhydrate, Zellulose, wenig Fett und Proteine, Spurenelemente (Eisen, Jod, Kobalt, Zink, Molybdän), an Vitaminen vor allem Vitamin B und C. Wichtigste Stoffe sind das Alliin, ein geruchloses Öl, und das Enzym Alliinase. Die unverarbeitete Zwiebel zeigt erst beim Zerreiben oder Schneiden die wohlbekannte Wirkung, dann nämlich, wenn das Alliinase-Enzym mit Alliin die chemische Verbindung Allicin eingeht. Letzterem verdankt der Knoblauch seine antibiotische Wirkung (die mit der Entdeckung des Penicillins allerdings etwas in Vergessenheit geriet), aber auch seine thrombosen- und krebshemmende Wirkung geht vom Allicin aus.
Was hier referiert wird, ist wohlgemerkt nicht irgendwelcher Aberglaube, sondern das Resultat von Forschungen über Phytonzide (die antibiotisch wirkenden Substanzen in höheren Pflanzen); ein Experte auf diesem Gebiet ist Prof. B. P. Tokin vom Institut für Mikrobiologie und Virologie der Universität Kiew. In dehydratisiertem Knoblauchpulver, in Knoblauchpillen, -ölen, -extrakten und ähnlichen Präparaten konnten allerdings kaum noch wertvollen Inhaltsstoffe festgestellt werden. Wirksam ist wirklich nur der dem Odem des Genießers lange nachhängende unveränderte frische Knoblauch.