Vincents Tagebuch

Berufskoch

von | 25. April 2018 | Tagebuch

Wie soll man als Berufskoch seine Arbeit machen?
1. Koche so, dass es Dir gut schmeckt und du Gleichgesinnte findest. Außerhalb dessen herrscht sowieso der Wahnsinn. Der Kopf des Kochs muss frei bleiben, für vernünftiges Neues, und von Eigenständigkeit und Logik unterfüttert.
Man kann auch sehr viel Erfolg haben, wenn man nicht nach seinem Gusto kocht, sondern den Trends und dem Massengeschmack folgt. Man verleugnet sich dabei allerdings selbst und verdient womöglich viel Geld, das man dann irgendwann für sein Inneres eintauscht und die innere Leere mit Konsum und teuren Accessoires kompensieren muss. 
Das breite Massengenießervolk hat selten eigenes Urteilsvermögen, sondern folgt, den Guides und Rankings. In dieses Hamsterrad kann man sich begeben. Es befeuert jeden Ehrgeiz, befriedigt alle Aufsteigersyndrome und sonstige Komplexe, alimentiert und füttert die einfallslose Medienschurkerei.
Dazu gehört, dass man ständig die Ausschläge der Moderichtung im Auge behält und wie ich feststellen kann, den Bezug zur Natur verliert, den man sich bei erkennbarem Schwächeln mit Aromatherapien und Gartenworkshops aufs Gemüt pflastern kann.
Ja, jetzt kommts: ist man zur Gastronomie berufen, füllt sie ein ganzes Leben, geht man aber seinen Beruf mit modischen Hipstermethoden an und fokkussiert ständig was in der Sternegastronomie angesagt ist, schaut man nach den gefeierten Kollegen was die gerade auf der Pfanne haben, kocht man also nicht „sein Zeugs“, sondern das des Kollegen, womöglich sogar noch besser, dann tritt folgendes ein.
Man hat sich in seinem Beruf auf den Weg des schnelleren Erfolgs gemacht. Man entspricht als Köchlein den Rankingvortellungen der Guides, den Beraterfirmen und den Grundrezepten des Aufstiegs. Man ist zweifellos schnell in einer gehobenen Liga. Ähnlich wie bei einem Boxer oder Fußballer ist aber die die Saison kurz. 
Man bedenke, in diesem Jahr bin ich 50 Jahre lang Koch, habe vieles kommen und gehen sehen, das Schönste ist, dass es mir heute mehr Spaß macht als früher und ich einen individuellen Weg gehen kann. 
Dass das so bleibt erfordert ein ständiges Nachjustieren an der Schraube der Erkenntnis mit der Reflektion, dass das Tun befriedigt. Ein junger Dreisternekoch sagte kürzlich im Fernsehen, wenn ihm der Dritte Stern genommen wird gibt er seinen Beruf auf. Was ist da los? Der Stern ist Fundament und Überbau, der Stern ist Chef, und wie man weiß ein gnadenloser. Der Koch arbeitet also ausschließlich für sein überspanntes Ego. Wie armselig, das hat ja alles schon eine gewisse shakespearsche Dramatik. Irgendwann mal liegt der Kopf auf dem Teller. Naja, viel Glück, but not my party!