Vincents Tagebuch

2. Bad. Landwein

von | 28. April 2018 | Allgemein

Gestern hat für mich eine neue Zeit begonnen:
Zum ersten mal nach über 35 Jahren habe ich wieder eine Zigarre geraucht. Die letzte war eine Havanna Davidoff Nr. 1, die ich als junger Wahnsinniger auf Lunge geraucht hatte. Mein Vater, der Tierarzt war dabei und meine Frau auch. Ich wachte auf der Restaurantbank wieder auf, und wusste nicht mehr wo ich war. Der Joint hatte mich doch glatt vom Stuhl gerissen. 
Danach war ein für allemal Schluss mit big smoke.
Gestern habe ich damit wieder angefangen und das kam so:
Gestern Freitag morgen setzte ich mich in den Zug und rumpelte über Karlsruhe und Freiburg nach Müllheim im Markgräfler Land. Ziel war das „Landhotel Alte Post“. Ein wunderschönes Hotel, die Chefin, Frau Mack ebenso, und der Herr des Hauses, ein stattlicher Mann und umtriebiger Gastgeber, boten einer besonderen Veranstaltung den würdigen Rahmen.
Es fand statt: Der 2. Badische Landweinmarkt. Die ausrichtende Organisation nennt sich „100Prozent LandWein“.
Bisher gab in Deutschland für mich zwei Hände voll Winzer, die mich wirklich interessierten. Nach der gestrigen Weinprobe sind es doppelt so viele. Landweinwinzer sind sperrig-luzide Weinbauern, die sich vom Staat nichts vorschreiben lassen und auf all die Blödsinnsprädikate und Aufkleber verzichten. Nicht zu verwechseln sind diese Weine, mit Discounterzeugs, das sich auch Landwein nennt. Kurzum es geht nicht um Tischweine, sondern um Granaten, nicht an Alkohol, sondern an Substanz und Geschmack. Es gab über 30 Gutedel zu probieren und jeder zeigte sich anders und von eigenem Charakter. Und dann kostete ich Spätburgunder. Mammamia, mindestens zwanzig davon gingen mir als große Gewächse über die Zunge, derart, dass viele französische Burgunderwinzer mit den Ohren schlackern würden. Es war meine erste Weinprobe seit mindestens zehn Jahre. Ich hasse nämlich Weinproben, genauso wie das Begrüßungsumarmen und Küssen, das wir aus Frankreich importiert haben. Bei Weinproben musste ich mindestens zehnmal in Sauerampfer beißen, bis sich wieder ein angenehmer Moment einstellte. Beim Bussibegrüßen ist es genauso. Da muss man vierzig Kommodenfüße küssen bis es einmal richtig Spaß macht. Nach diesem politisch inkorrekten Ausrutscher nun aber weiter mit den Winzern.
In Müllheim erlebte ich eine vinologisches Erleuchtung und werde mich nun im Schwabenland und in der Pfalz nach ähnlichen Querköpfen umsehen. Wie bei allen Künstlern sind die Winzer in der Lage Weltklassewein zu keltern, aber das Verkaufen interessiert bereits schon weniger. Ich werde also in den nächsten Tagen, eine bisher noch nicht vorhandene Liste mit Homepageadressen veröffentlichen. 
Leider musste ich den Ort der Erleuchtung gegen halbvier am Nachmittag verlassen, um rechtzeitig zum Abendgeschäft wieder auf der Wielandshöhe zu sein. Meine Lieblingswinzer Edeltraut und Hanspeter Ziereisen versorgten mich mit einem denkwürdig-qualitätvollen Fresskorb. 
Darin befand sich auch eine Zigarre der letzten Manufaktur von ehemals über 200 badischen Tabak-Betrieben. Davon aber morgen mehr.