Vincents Tagebuch

Franz Keller

von | 28. März 2018 | Allgemein

Ganz klar, als junger Koch muss man sich in der Öffentlichkeit bemerkbar machen
meinetwegen mit allen Mitteln. Irgendwann muss aber das womöglich eitle Ego zurücktreten, man muss sein Platz finden und die Karriereleiter etwas flacher legen. Jedenfalls dann, wenn man über fünfzig Jahre lang glücklicher Koch sein möchte. 
Die Rede könnte jetzt auch mich betreffen, aber heute haue ich für einen Kollegen auf die Pauke, der soeben ein wichtiges Buch veröffentlicht hat.
FRANZ KELLER
Vom Einfachen das Beste
Westendverlag Frankfurt 2018
Über Schweinequälerei und all die Verbrechen kann ein Journalist alle drei Wochen salbadern, wenn ihm nichts Besseres einfällt. Oft sind die Honorare der Schreiber leider so entwürdigend gering, dass der arme Tropf (Tröpfin) knapp am Aldi entlangscheuert und die Materie nur vom Hörensagen kennt. 
Nun hat einer, der allen Consommés dieser Erde entstiegen, und nun zwischen Kuhfladen oder Bentheimer Schweinen sich erfreut, nun hat einer der kantigste Quadratschädel der Sternebranche ein Buch geschrieben. 
Der Koch Franz Keller, gebürtig aus dem berühmten „Adler in Oberbergen, er kroch nach der üblichen Rezeptur der Grand-Cuisine-Karriereleiter, ganz unten durch die Scheisse, um ganz oben wieder raus zu kommen. Ein probater Weg und letztlich der einzige der in der Spitzengastronomie zu dauerhaftem Erfolg führt (der Rest sind oft Sternschnuppen). 
Er quälte sich bei Jean Ducloux, einem Wahnsinns-Superkoch, den ich noch erleben durfte. Dieser Monsigneur pflegte nur eine fatale Macke, nämlich eine Hitlerbüste hatte seinen Schreibtisch zu zieren. Dann mühte sich Franz Keller noch mit intensiver Maloche bei Paul Bocuse, und später beim genialen Erfinder der „leichten Küche“, (Cuisine MInceur), Michel Guèrard. Letzterer werkelt erfreulicherweise immer noch in seinem phänomenalen Hotel in Eugénie les Bains, nördlich der Pyrenäen. Diesem Humus, dem ebenso der heute so berühmte Alain Ducasse entstiegen, diesem absoluten Küchenwissen ist auch Franz Keller entwachsen. 
Wer sich soviel draufgeschafft hat will sich nicht mit Molekularküche oder sonstigen Küchenfaxen erniedrigen. Zu meiner selbständigen Anfangszeit, galt Franz Keller mit dem „Roi de Cuisine“ Eckart Witzigmann“ als die Messlatte der Kocherei. Ich war stolz, wenn ich diesen Leuten bei Tagungen die Aktentasche tragen durfte.
Keller kochte damals in Deutschland da und dort, aber immer mit Vollgas, überholte sich manchmal selber, aber immer warf er sein ganzes Herz in die Pfanne. Es spritze oft gewaltig und Sensibelchen ergriffen die Flucht. 
Irgendwann wurde der Küchenheld seßhaft. In Hattenheim im Rheingau führt nun sein Sohn Franz, der Soundsovielte (Vater, Großvater, Urgoßvater, alles Fränze), die weithin berühmte „Adlerwirtschaft“. Dort wird genau das Gegenteil von dem geboten was sich Hermèstäschchen und gewisse Porschezündschlüssel vorstellen können. Vater Franz gründete die Wirtschaft vor 25 Jahren und schaffte sich die gesamte Edelkundschaft vom Hals. Er war der erste Koch, der dem Michelinführer einen Brief schrieb, dass sie sich die Sternchen selbst in die Augen reiben könnten.
In der Adlerwirtschaft geht es für die echt-beseelten Esser kräftig zur Sache. 
„Blutwurst, Hochripp oder Braten, alles wirklich wohlgeraten, ohne Firlefanz, ganz der Franz!“, 
so könnte ich als Hilfsdichter skandieren. 
Kurzum, Franz Junior der Soundsovielte, kocht in der Wirtschaft und der Vater Franz lebt nun als Viehhirte völlig verbauert, mit seinen Tieren in Wohngemeinschaft, auf einer Anhöhe über dem Rhein.
Limousin-Charolaisrinder werden eingekreuzt und vermehrt. Der schlaue Bauer liefert sich Wettrennen mit seinen Säuen und neuerdings widmet er sich der schwierigen Geflügelzucht, die in Deutschland qualitativ den Franzosen nie die Körnchen reichen konnte.
Auf dem Fakenhof wird keine Aussteiger-Selbstbeweihräucherung zelebriert, sondern richtig geschuftet. 
Aber was schreib ich mir hier die Finger wund, lesen Sie sein Buch, das zu schreiben sicherlich enorm viel Mut bedurfte. Der Mann sagt die Wahrheit über Agrarsubventionen, Ackergifte, über die verblödete Landwirtschaftspolitik, die letztlich der Bauernverband diktiert. Da steht auch der wunderbare Satz, wieso sich die steinreiche Reifenfirma Michelin die Sternesause jährlich vom Maggi-und Knorr-Dealer „Metro“ sponsern lässt. Kurz und gut, alle kriegen ihr Fett ab und des Franzes Schreiberei ist genauso beherzt und dammbrechend wie der Inhalt des Buchs. Es geht um die schönste Sache der Welt, giftfreies, naturverträgliches, also menschenwürdiges Essen & Trinken.
“Ach, gäbe es nur mehr solche Kerle!”