Vincents Tagebuch

Fluktuation

von | 25. November 2017 | Allgemein

Wer besser sein will als andere muss ein bisschen mehr tun als andere. 
 So ist es völlig logisch, dass in einer gut geführten Küche, mit besten Naturprodukten mehr geleistet werden muss, als in einer Pommesbude. Bei uns muss ungefähr eine Stunde länger gearbeitet werden als die Vorschrift gebietet. Diese Überstunden werden in ruhigeren Zeiten ausgeglichen. Generell macht es aber einen großen Unterschied, ob man im Akkord-Hamsterrad acht Stunden runterreissen muss, oder ob man einen Beruf hat, der es erlaubt mal einen Espresso rauszulassen oder sich sonst ein bisschen zu verquatschen. Die Gesetzesmacher können das nicht wissen, denn die meisten haben von echten Berufen keine Ahnung. Sonst könnte es ja auch nicht sein, dass ein beispielsweise kaputtgeschufteter Bauarbeiter nach gleicher Zeit in Rente geht wie ein Sesselfurzer.
Siebzig Prozent der Gastronomie-Azubis halten die Lehre nicht durch. Die Ausbildungszeit gilt als hart. Sie wird aber meist so empfunden, weil größtenteils langweiliger Mist gekocht wird. Meiner Ansicht nach sind die Gründe nicht bei einer schlaffen Jugend zu suchen, sondern es liegt an den schlechten Betrieben, welche in Deutschland die absolute Mehrheit einnehmen. Gräbt man noch tiefer, schlägt man aber beim Verbraucher auf, dem es nicht billig genug sein kann, der seinen Bauch als Mülldeponie akzeptiert und der sich nicht um gastronomische Mitarbeiter und um Lebensmittelqualität schert. 
Die Gastronomie von der Basis ab bis zum Sternerestaurant, verdient zu wenig um genügend würdevolle Arbeitsplätz anzubieten. Ich habe schon immer bestmöglich gekocht und dafür die entsprechenden hohen Preise genommen. Seit 1974 gilt meine Arbeit bei Vielen als überteuert. Mit solchen Fehlurteilen kann ich gut leben, denn sie kommen immer aus der Geiz-ist Geil-Ecke. Ich wünsche mir für meine Kollegen mehr Mut, zur Not auch die Nerven, wenn die Stammkundschaft wegen Preiserhöhung wegbleibt. Wenn die Qualität stimmt, kommt die schlaue Kundschaft wieder. Der Wirt und Koch muss sich allerdings auch richtig einschätzen, muss wissen wo er beruflich steht. Hohe Preise verlangen, dafür billige Ware verwenden und dazu ausgemergeltes Personal auf die Gäste loslassen, das funktioniert garantiert nicht.
Arbeitszeiten sind in der relativ egal. Wenn die Arbeit Spaß macht bleibt der Koch gerne Koch. Mit Convenience, Vorgekochtem, Aufgewärmtem, anonymem Discounterfleisch und sonstigem Krempel kommt allerdings bei den Mitarbeitern keine Freude auf und jede Arbeitsstunde wird zur Qual. 
Der Kellner kellnert auch gerne, wenn er angenehme, freudig Gäste hat. In der Wielandshöhe arbeiten vielerlei unterschiedlich Nationen. Gestern hat ein Gast etwas gemault, weil der Kellner nicht fließend Deutsch sprach. Diesen Gäste-Gnom habe ich nicht rausgeworfen, weil ich unvorbereitet war und es noch nie vorkam. Beim nächsten mal setzt es was. Oberste Regel des Wirts: „Halte deinen Stall sauber“. Ein gutes Gasthaus hat mit gutem Essen, mit gutem Personal und vor allen Dingen mit guten Gästen zu tun.