Liebe Laura,
es gibt nicht viele Menschen, die ich wirklich verehre. Eine Frau will ich Dir vorstellen, die für ganz großartig halte, es ist Alice,Königin von Griechenland.
Prinzessin Alice von Battenberg (1885–1969) wurde am 25. Februar 1885 auf Schloss Windsor geboren. Sie war die älteste Tochter von Prinz Ludwig von Battenberg (später Marquess of Milford Haven) und Prinzessin Viktoria von Hessen-Darmstadt, die Enkelin Königin Victorias. Damit gehörte sie zur weitverzweigten Familie des europäischen Hochadels, eng verbunden mit dem britischen Königshaus, wie auch mit dem russischen Zarenhaus.
Bereits im Kindesalter stellte man fest, dass Alice gehörlos war. Sie lernte jedoch Lippenlesen und sprach fließend mehrere Sprachen, darunter Englisch, Deutsch, Französisch und Griechisch. Ihre Mutter, geborene Maria von Teck mit schwäbischen Wurzeln, galt als praktisch veranlagt und streng, teilweise auch bösartig. Sie hielt Alice für “langsam” und befürchtete, dass ihre Tochter den Anforderungen der Gesellschaft nicht genügen würde. Diese Skepsis prägte das Verhältnis der beiden ein Leben lang.
1903 heiratete Alice, eine absolute Schönheit, in Darmstadt Prinz Andreas von Griechenland und Dänemark, einen Sohn von König Georg I. von Griechenland. Damit wurde sie Prinzessin von Griechenland und Dänemark. Das Paar lebte in Athen und bekam fünf Kinder: Vier Töchter – Margarita, Theodora, Cécile und Sophie – sowie den späteren Prinzgemahl des Vereinigten Königreichs, Prinz Philip (1921–2021).
Die Ehe stand unter keinem guten Stern. Griechenland war politisch instabil; die königliche Familie musste mehrfach ins Exil gehen. Nach dem Militärputsch von 1922 wurde Prinz Andreas verbannt, die Familie lebte zeitweise in Paris in bescheidenen Verhältnissen. In den 1930er-Jahren geriet Alice in eine psychische Krise. Ärzte diagnostizierten eine Schizophrenie; sie wurde in verschiedenen Kliniken behandelt, u. a. von Sigmund Freud. In ihrem Fall war er ein absoluter Kurpfuscher und es steckte auch die Mutter dahinter. Freud empfahl ihren Unterleib mit Röntgenstrahlen zu traktieren, um um sexuellen Phantasien vorzubeugen und sie unfruchtbar zu machen. Bei der Tortur wurden ihr auch operativ die Eierstöcke entfernt. Das Ganze nannte man “psychische Reinigung”.
Es konnte nicht ausbleiben, dass sich die Abneigung zwischen Alice und ihrer Mutter Viktoria ziemlich auswuchs. Ihre Mutter wie auch andere Mitglieder der britischen Königsfamilie betrachteten Alice zunehmend als “instabil” und unberechenbar, mur weil sie einen “eigenen Kopf und extrem intelligent war.Im Hause Windsor herrschte Skepsis: man fürchtete, dass ihr Verhalten den Ruf des britischen Königshauses schädigen könnte.
Diese Ablehnung wurde besonders deutlich, als Alice zunehmend ind Religiös-spirituelle flüchtete. Sie wandte sich der Griechischen Orthodoxie zu, trug einfache Gewänder und widmete sich einem tiefen, fast mystischen Glauben. Für ihre nüchterne, pragmatische Mutter Viktoria, sowie für das rationalistisch geprägte Umfeld in Windsor, wurde das als blamabel empfunden.
Während des Zweiten Weltkriegs lebte Alice in Athen, obwohl Griechenland unter deutscher Besatzung stand. In dieser Zeit zeigte sie ihren Mut und ihre Menschlichkeit: Sie versteckte Rachel Cohen, eine jüdische Witwe, und deren Kinder in ihrem Haus – das war äußerst gefährlich und sie riskierte damit ihr eigenes Leben. Frau Cohen erzählte nach dem Krieg über Alice als ihre Lebensretterin. Sie versicherte auch deutlich, dass Alice nicht im geringsten schizophren oder sonst irgenwie verrückt war. Sonst hätte sie mit den Juden und anderen Hilfesuchenden den Terror nicht überlebt. Ihre britischen Verwandten, darunter König Georg VI. und das Haus Windsor, lebten zu jener Zeit in London und beobachteten ihre Aktivitäten ablehnend, distanziert. Manche hielten sie für exzentrisch, andere für naiv. Dass sie jedoch eine Heldin der Menschlichkeit war, erkannten viele erst nach dem Krieg.
Nach 1945 gründete Alice in Griechenland den christlich-orthodoxen Schwesternorden von Martha und Maria, dessen Ziel die Pflege von Kranken und Armen war. Sie lebte bescheiden, oft im Nonnenhabit, und verzichtete auf weltlichen Luxus.
Die politischen Wirren in Griechenland nach dem Krieg schwächten sie, und schließlich folgte sie 1967 – nach dem Obristenputsch – der Einladung ihres Sohnes Philip nach London. Dort verbrachte sie ihre letzten Jahre.
Alice starb am 5. Dezember 1969 im Buckingham Palace. Entsprechend ihrem letzten Wunsch wurde sie später in Jerusalem auf dem Ölberg bestattet – nahe ihrer Tante, Großfürstin Elisabeth Romanowa, die von den Bolschewiki ermordet worden war und als Heilige gilt.
1994 wurde Alice posthum von Yad Vashem als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt.