Vincents Tagebuch

Das Wild und das Wildgewürz

von | 2. Januar 2024 | Allgemein

Lassen Sie mich mit den Fischen beginnen. Fisch schmeckt nach Fisch und nach Tagen schmeckt der Fisch immer mehr nach Fisch. Ich hätte mir das vor zehn Jahren nie träumen lassen, dass man aus einem Wels, einem Waller, ein Tartar machen könnte, da solch Gründelfische einen starken Eigengeruch haben. Die Wielandshöhe bezieht die Süßwasserfische, Hecht, Zander, Waller oder Barsch so frisch, dass Sie noch steif sind. Das jeweilige Aroma der Fische ist so kaum wahrnehmbar. Wenn also Fisch nach Fisch scheckt, dann ist er bereits einige Tage alt.

Es gibt Variatonen von Rindertatar in der das das blanke gehackte Fleisch in der Mitte und außen herum alles angeordent wird, was man zum Würzen braucht, Kapern, evtl. Schalotten, Olivenöl u.s.w. Das frische Rindfleisch schmeckt fast nach nichts, es sei denn es ist einige Tage alt und dann schmeckt es gar nicht mehr gut.

Beim Wild ist es daselbe. Heute haben die Jäger modern-hygienisches Wissen. Die Tiere werden nach dem Erlegen baldigst ausgeweidet, die Bauchhöhle ausgewaschen u.s.w. In meiner Jugend hängte man z.B. die Fasanen an den Schwanzfedern auf bis sie sich von selbst aus dem Körper des Vogels lösten. Das Reh wurde bei mangelnder Kühlung abgehangen, die Hasen mit komplettem Gedärm kühl gehängt, bis es zu müffeln begannen. Man spricht dann davon, dass das Tier einen “Haut Goût” habe. Die allgemeine Lesart war, dass das so sein müsse. Um diese Geschmacksnoten erträglich zu machen wurden beim Kochen alle möglichen Gewürze verwendet. Das Fleisch wird mit Essig gewaschen oder in Rotwein eingelegt und so kam das Wildgewürz in die Welt. Wie Reh wirklich schmeckt ist ziemlich unbekannt, denn es wird in der Regel von Wacholder, Piment, Nelke und Lorbeer überlagert. Ich bin überzeugt, dass der Curry in Indiens heißer Wetterlage so heftig im Gebrauch ist, da vielerlei Fleisch, wie bei ungewaschenen Kerlen, dringend ein Deodorant benötigt. Dessen ungeachtet, nichts gegen Gewüze und Übertreibungeen, aber alles zu seiner Zeit.

Mangelnde Hygiene raffte in früheren Jahrhunderten millionenweise die Menscheit dahin. Die koschere Küche des mosaischen Glaubens war und ist im Kern eine Anwendung von Hygienegesetzen, was das Judentum am Leben hielt und die ungewaschenen Christen dahinraffte. Nicht die Juden vergifteten die Brunnen, sondern unsere Vorfahren taten mit ihrem Schmutz in eigenregie. Die Schuld wird immer bei anderen gesucht und so wurde unter anderem der Antisemitismus befeuert.

Zurück zum Rehbraten der, wenn nur mit Salz gewürzt, ziemlich fade daherkommt, denn das Reh frisst nur feinste Kräutlein. In irgendeinem mittelalterlichen Kochbuch las ich über Kaninchen, “sie schmecken nach dem Kohl, mit dem man sie füttert”. Deshalb schmecken gezüchtete Meeeresfischen ähnlich der Zuchforelle. Sage mir was du isst und ich sager die wer du bist.

Der Wildhase  lässt sich nicht züchten. Er hat einen ziemlichen Eigengeschmack, weil er sich selbst würzt. Man nennt das Koprophagie. Er verspeist als Verdauungshife zu seinem Grünzeug immer noch einige seiner eigenen Kotböppel mit. Ich weilte mal einige Zeit im Jemen und hatte unglaubliche Magen- und Darmprobleme. Mein Freund Mohammend führte mich zu einem Doktor, der saß in einer Häuserecke im Staub und bot seine Medikamente feil. Es war bereits dunkel und er gab mir fünf Pillen, die ich zu schlucken hatte. Weitere fünf gab er mir noch in die hohle Hand für den nächsten Morgen. Bei Lichte betrachtet offenbarten die Pillen sich als Hasenköttel. Kaum zu glauben, aber ich war geheilt.

Wild sollte auf alle Fälle einige Tage abhängen, zum einen neutralisieren sich die Stresshormene des Abschusses (Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol), zum anderen entwickelt sich der Eigengeschmack. Hier geht es ums richtige Maß und das muss auch für Wildgewüze gelten. Dem Wild also nur in der Art mit Gewürzen und sonstigen Zutaten wie Wein und Essig aufhelfen, dass der Eigengeschmack nicht übertönt wird sondern sich abrundet.
Das ist für uns Teutonen nicht einfach, denn einer unserer Charaktereigenschaften ist, alles zu übertreiben, dies im guten Sinne wie in verheerenden Schicksalsniederungen.