Vincents Tagebuch

Energie sparen

von | 24. September 2022 | Allgemein

WESTFÄLISCHER PFEFFERPOTTHAST

Oft sehen die wohlschmeckensten Gerichte nicht fotogen aus. Es ist wie mit den Menschen, viele kümmern sich in fast obzöner Weise ums Äußerliche, das Aussehen. Besser wäre, man würde sich das Innere seines Hirnkastens polieren. (Im Bild meine 100 Jahre alte türkische Kaffeemühle. Unglaublich effektiv, wie jede alte Kaffeemühle. Man erinnert sich: Die mit dem Holzschublädchen.

Als Koch bin ich die fleischgewordene Ungeduld.
Das hängt auch mit meinen 54 Jahren als Berufskoch zusammen. In einem guten Restaurant muss alle 15 Minuten irgendwas passieren, irgendwas serviert werden, oder Wein eingeschenkt u.s.w.. Das wäre der Idealfall, aber länger als 20 Minuten darf keine Pause sein. In ganz feinen Restaurants, die ich wegen Ungeduld nur noch ganz vereinzelt aufsuche, bin ich manchmal von der Wartezeit aufs Amuse Geule, vom Frusttrinken, schon beschickert. Wegen meiner begrenzten “Restlaufzeit” kann ich mir eigentlich solche “Hohen Messen” nicht mehr leisten.

Weiter mit der Ungeduld, weshalb ich privat, am freien Tag meist einen Eintopf mache und dafür ist mir der Dampfkochtopf unentbehrlich. Die Dinger sind heute wirklich idiotensicher und sparen enorm Energie. Vom Stromverbrauch frisst am meisten der Ofen, weshalb meine Oma, die Haushälterin Agathe, oder die Tante Gene die teure Energie des Ofens nur für den Sonntagskuchen, oder an Festtagen anschalteten. Selbst das “Göggele” wurde im Topf gebraten, und das immer mit Deckel drauf. Nichts ist für Topf und Essen wichtiger als der Deckel, der Duft zieht so beispielsweise nicht zum Nachbarn hinüber, den womöglich Magenkrämpfe schütteln, da er gerade eine Hungerkur zu überstehen hat.

Den optimalen Duftgeiz liefert allerdings der Dampfkochtopf, der lässt nichts raus. 
Auf den Fotos sehen Sie einen “Westfälischen Pfefferpotthast”. Sehniges preisgünstiges Rindfleisch wird in breite Steifen (mit der Faser) zerlegt, danach gegen die Faser in dünnen Flecken geschnitten. Viel Pfeffer drauf und auch ordentlich Salz. Möglichst mehr Zwiebeln als Fleisch und rein in den Dampfkochtopf. Ein Achtel Wasser drüber, Deckel schließen. Garzeit in einem normalen Topf, bis zu 2 Stunden. 
Letzten Sonntag war der Spuk nach 20 Minuten beendet. Der Topf kommt nach dieser Zeit unter Duck in die Spüle und dann kaltes Wasser drüber. Der Duck fällt in sich zusammen. Der Deckel lässt sich öffnen, aber nur, wenn kein Druck mehr im Topf ist. Solange der Topf aus deutscher Fabrikation, ist es unmöglich damit einen Unfall zu veranstalten. Abschließend ausdauernd umrühren, damit die Zwiebeln die Bindung übernehmen. Ein bisschen Mehl in Rotwein angerührt, dazu. Aufkochen, dann noch mit Salz abgeschmecken, und fertig. Der abgebildete Topf kostet ungefähr 150 Euro. Über die Jahre hat man einen Energie- und Zeitgewinn, der womöglich in die Millionen geht?

Und die Westfalen? Jedenfalls, ein Volk, dass ein solch preiswertes Fleischgericht, ein solches Lustessen erfunden hat, das kann nicht ganz schlecht sein.