Vincents Tagebuch

Luxus am großen See

von | 8. Juni 2022 | Allgemein

Wolfgang Abel
“Lago Maggiore”
Leiser luxus am großen See

www.oaseverlag.de

Selbstverständlich kann man verreisen, in alle Richtungen den Hals drehen, glotzen und staunen. Es ist mir aber auch schon einmal passiert, dass der Nachbar auf die Frage, ob es in Antalya schön war, mit der hammerhharten Meldung rüberkam, dass es klasse gewesen sei, “ond es hot fast keinen Türka ghet (gehabt)!
Reisen dient dem Tapetenwechsel, der Befriedigung von Neugierde, dem Dazulernen, aber gerade letzteres ist nicht jedem gegeben. Mancher kommt blöder nach Haus als er abreiste.

Das geschieht alles ganz schmerzfrei, und altersmilde sage ich “jedem das Seine!” Hat man sich aber über sein Reiseziel, über die Kultur, die Sitten und Gebräuche informiert, so kann der Nutzen beträchtlich sein. Gewiss, es gibt erschöpfte Leute die stundenlang in der Sonne herumliegen und vom Beruf so ausgepowert sind, dass Bewegungsmangel vielleicht sogar der Arzt empfiehlt.

Wer es gar nicht mehr vom heimischen Sofa runterschafft, – davon bin ich nicht weit entfernt-, der könnte zum Beispiel ein Buch erwandern. Es gibt Bücher mit denen man lesend auf Reisen gehen kann. Sie sind so lebendig und inhaltsreich verfasst, dass ich beispielsweise keinen Grund verspüre mich den Unfähigkeiten der vergangenen Verkehrsminister anzuvertrauen. Reisen hat auch mit Kondition zu tun und wer im Stuttgarter Bahnhof (Wanderschuhe sind zu empfehlen) es bis ins Abteil schafft und anschließend von der Haltestelle Flughafen-Frankfurt die gefühlten sechs Kilometer zu seinem Abfluggate erlatscht hat, der weiß, dass reisen sich manchmal anfühlt, als bezöge man Prügel.

Das kann niemals passieren, wenn man sich in Wolfgang Abels Buch versenkt und nach Stunden erst wieder auftaucht. “Lago Maggiore, Leiser Luxus am großen See”. Nach den 370 Seiten weiß man über das langgestreckte Seen-Paradies und die angrenzenden Hänge mehr als so mancher Einmischer.

Oft besuchte ich die Ufer dieses Gewässers. Es war schön, aber das war schon alles was ich wußte. Mit diesem Buch hat sich das geändert. Letztlich hat es mich aus der trögen, heimischen Horizontalen gerissen.
“Scusa caro pubblico”, ich kann jetzt nicht weiterschreiben, muss ins Auto und an den See.