Vincents Tagebuch

Willi “The Lion”

von | 30. September 2021 | Tagebuch

Wir leben in einer Zeit ausufernder politischer Correctness
und trotzdem, nie waren die Zeiten verlogener als heute. Wer sich nicht im Mainstream bewegt, macht sich verdächtig. Spinner, Snobs, Enthusiasten, manische Macher, randständige Künstler und echte Kerle sind am aussterben. Alle Weicheier dieser Welt wollen aber ebensolche echte Kerle sein. Sie sind es nicht, und damit das niemand merkt lassen sich die Sensibelchen unsere Zeit Bärte wachsen, zerreissen Ihre Jeans und trommeln auf ihrer Brust, „I’m a hard guy, and hard working!“

Willi WeberEiner der von mir bewunderten echten Kerle,
einer außerhalb des Mainstreams, ein Wahnsinnsmachertyp, der hat nun ein Buch geschrieben. Es handelt von seinem Leben, vom Hochschaffen, vom wirklichen Dasein und der irrsinnigen Drehzahl des Formel I Rennsports.

Meine Frau mag keine Formel I und trotzdem hat sie das Buch mit Begeisterung gelesen, von dem ich seit gestern auch nicht mehr loskomme. Der Autor heißt Willi Weber. Dieser Mann hat Michael Schumacher groß gemacht. Beide haben als geniales Tandem einen Haufen Geld verdient, aber überhaupt nichts geschenkt bekommen.

Frau Elisabeth und ich sind ja wirklich auf Literatur eingeschworen. Aber, ehrlich gesagt, wo Thomas Mann oder Martin Walser drei Seiten benötigen um etwas zu beschreiben, knallt Willi Weber mit einem hammerharten Satz in die Zwölf. Mag sein, dass ein sehr guter Lektor ihm manche Sätze gerade gebogen hat. Es gibt aber die Schriftstellerwahrheit, dass es nicht genügt, keine Gedanken zu haben, man muss auch unfähig sein sie auf Papier zu bringen. Keine Sorge darüber bei Willi Weber, da jagt ein guter Gedanke den anderen. Er schreibt mit enormem Witz, britischer Lakonie, offener Selbstironie und Logik. Alle Kapitel des Buchs fräßen sich mit gewaltigem Mutterwitz über die Knüppelpiste seiner Niederlagen und Siege.

Es beginnt mit seiner Jugend, und seinem Jungunternehmertum. Was hat man ihm nicht alles am Zeug geflickt, aber unter der Lawine der Missgunst und des bösartigen Neids, vieler Stuttgarter Kleinbürger, ist er immer ins Helle hervorgekrochen. Es geht natürlich in weiten Teilen um das Formel I Renngeschäft. Ich habe noch nie so ein Rennen angeschaut, es interessierte mich nie. Nun aber muss ich sagen, wer in diesem Business überlebt ist tatsächlich Lebenskünstler und muss auf vielen Gebieten eine Hochbegabung sein. Zugegeben als Pfarrer wäre Herr Weber allerdings eine Fehlbesetzung.

Hier einige Kostprobenzitate:
“Woran erkennst du einen Mann der den Verstand verloren hat? Er schreibt Liebesbriefe.”
„Pass auf, ich sage dir jetzt mal, wo der Frosch die Locken hat!
“Praktisch denken, Särge schenken.”
Über das Sparen und die penible Korrektheit des Michael Schumacher: “Wie heißt es so schön: Du kannst einen Jungen aus Kerpen holen. Aber du kriegst Kerpen nicht aus dem Jungen.” 

Dann wird Flavio Briatore erwähnt: “Goldketten, Leopardentangas, Brustflaum, Sprühsahne und ganz viel Amore im Angebot”. Flavio palavert immer heftig gestikulierend. Ich sage immer: „Ein einarmiger Italiener ist sprachbehindert.“ Briatore ist Teamchef bei Benetton und Renault, auch ein 1000-PS-Mann. Er trinkt gerne 500-Euro-Weine. „Der Sommelier kredenzt mit viel Brimborium. Am Korken schnuppern, Probeschlückchen mit Gurgeln, in Karaffe umgießen.“ Sie wissen schon. „Kaum ist der gute Tropfen im Glas, greife ich zur Mineralwasserflasche und mache ein Schorle draus. Der Sommelier ist kurz vor dem Herzinfarkt, auch Flavio verschlägt es kurz die Sprache.“ „What are you doing?! ruft er schließlich fassungslos. „Flavio! Don’t worry!“ besänftige ich ihn. „Ich mache das nur mit gutem Wein. Der schlechte hat eh schon genug Wasser.“ Dass ich auch Schampus auf diese Art verdünne, behalte ich dann besser für mich.” 

FINIS: Wie die Familie Schuhmacher sich nach dem Skiunfall  gegenüber Weber verhält? Auf der letzten Seite erwähnt, bleibe ich traurig und mit Entsetzen zurück.