Vincents Tagebuch

Brot

von | 23. Juni 2020 | Tagebuch

Wer jemals einen Krimi des Schweden Henning Mankell gelesen hat, der weiß, dass bei seinem Kommissar Wallander alle 30 Seiten ein Klappbrot fällig ist. Wer kennt nicht die Stulle und all das deutsche Graubrot, aus dessen Geist unsere Mentalität sich formte. Weißbrot ist nur in Deutschland ungesund. Bisher haben aber unsere Artgenossen, die in lateinischen Ländern leben, allen Kassandrarufen zum Trotz, ganz passabel überlebt. Da wären die Spanier, Italiener und die Franzosen, die pauschal eine höhere Lebenserwartung haben als wir Deutschen.

Ich glaube es gibt beim Brot einen Unterschied, ob das Rezept aus dem protestantisch-puritanischen Kulturkreis oder aus dem katholischen Kulturkreis stammt. Weißbrot ist auf alle Fälle, vielleicht mit Ausnahme der Zeit des napoleonischen Empires, eindeutig pazifistischer. Vielleicht ist Schwarzbrot eine Erfindung des Militärs? Im Internat bin ich mit hartgebackenem Kriegsgerät aufgewachsen. Es nannte sich Kommissbrot. Die rechteckigen Ziegel wurden in der Klosterküche meines Internats gebacken und hätten eigentlich unters Waffengesetz fallen müssen. Ähnlich wie vielleicht die unzerstörbaren, englischen Brotsorten wie das Rundbrot namens „Cob“, mit Malz und Kleieanteil verfestigt, mit dem man die Kolonien dem Commonwealth befrohte. Gegen „Cob“ ist ein olympischer, eisengerändelter Hartholzdiskus ein echtes Friedensangebot. Ganz traumatisch wirkt skandinavisches Knäckebrot, das der humorvolle Philosoph Gerhard Polt immer gedanklich in die Idylle schiebt, wenn er auf der Bühne geistige Abwürg-Verdrahtung, und splittrige Lebensverneinung darstellen möchte.

Um aber jetzt nochmal auf’s Konfessionelle zu kommen: Brot ist in katholisch geprägten Ländern ein Symbol für den Leib Christi, und dem rückt man nicht mit dem Messer auf die Pelle. In diesen Ländern muss das Brot von einer Konsistenz sein, dass es gebrochen werden kann. Man kann sich mit solchen Broten keine Stulle schmieren, sondern bricht es. Es saugt Flüssigkeiten gut auf, man taucht es in Olivenöl oder reibt sich den Saucenteller damit aus. Wenn sich in der Wielandshöhe jemand mit der Butter und dem gereichten Brot eine Stulle streichen will, ist es garantiert jemand, der dem protestantischen, oder dem steinigen Katholizismus der Schwäbischen Alb entflohen ist. Um diese hochwillkommenen Gäste genießerisch zu sozialisieren, sieht unser Brot so aus wie auf dem Foto unten.

Aus diesem Geist heraus backen wir unser Brot also genau umgekehrt, grad so, dass man kein Klappbrot zusammenbauen kann. Ich erinnere mich noch genau (Kindheitstrauma) an das verdammte Schwarzbrot, das es bei meinen Großeltern gab. Es erinnerte an recycelte Pappdeckel und wies nur feinste Porung auf, so dass man keinesfalls viel Butter in die Löcher schmieren konnte. „Geiz ist Geil“, ist eine uralte schwäbische Erfindung und anderswo ebenso.

Brot