GARTEN EDEN
Es stellt sich die Frage ob man sich alleine an einen Tisch eines guten Restaurants sollte? Kann man ausschließlich mit sich selbst ein gutes Essen genießen? Wie verhält es sich bei einem Galeriebesuch? Wäre gemeinsames Erlebnis hilfreicher zum Verständnis, bei gleichem oder ähnlichem Kunstgeschmack eine Bestätigung, eine Absicherung, dass man sich mit gewissen Leuten in gemeinsamer Weltanschauung befindet?
Als Kunstinteressierter aber auch als Esser ist man ständig Lernender, auf sich alleine gestellt ziemlich aufgeschmissen und mäandert womöglich verzweifelt durch die Labyrinthe des Kunstbetriebs. Ein erster Besuch in einem Grand-Cuisine-Restaurant bedeutet auch oft mehr Stress als Freude. Viele Fragen tun sich auf: Wie soll man beurteilen, wo Kunst aufhört und der Murks beginnt. Fast könnte man sagen, ohne Verunsicherung kein fortkommen. Unser allergrößtes Betrugsorgan ist das Auge und damit auch das Hirn, das auf Ungewohntes abwehrend reagiert, wobei zu bedenken wäre, dass viele Esser futuristischem Essen und auch der Kunst fast wehrlos gegenüberstehen und kleinmütig manches abnicken was ein sogenannter „Kenner“ von sich gibt. Klar man hat die Möglichkeit der Information, beispielsweise durch das Internet. Unversehens verzahnt sich der Eleve in einem Meinungsgestöber und wird noch mehr verunsichert.
Mit der Kunst ist es schwierig, genauso wie mit der Speise, im Hirn passiert mehr als man annimmt und die subjektive Wahrnehmung ist gewaltig. Vieles kommt zusammen, egal was an avantgardistischem Ungewohntem passieren wird, man möge bedenken: das Zukünftige wird bald das Gegenwärtige sein. Auch behaupte ich, dass im unserem Hier und Jetzt bereits die Vergangenheit von morgen angerührt wird, und andererseits, die Spuren von morgen schon im Heutige enthalten sind“. Der künstlerische Prozess verwirklicht also nicht schon gegebene Möglichkeiten, er zeitigt neue.
Zugegeben, was Neu ist muss nicht unbedingt besser als das Alte sein. Auf das Essen trifft das in großem Maße zu, da sich zwar unser Geist und Hirn mit Avantgarde gerne auseinandersetzen, unsere Eingeweide sich jedoch geradezu reaktionär verhalten.
Im Kunstschaffen, sei es mit Buchstaben, mit Tönen, Pinsel oder generell gesagt Visuellem: Ohne Erprobtes, ohne Vorwissen kommt man nicht aus. Egal, welcher Avantgardist sich auf total Neues versteift, er irrt, wenn er nicht akzeptiert, dass Zukünftiges, beispielweise Contemporary Music, nie ohne Tradiertes also niemals ohne gewisse Grundlagen zu erzeugen ist und gedeihen kann.
Es gibt unterschiedliche Kunst, zum einen das Erhaltene, statisch festgeschriebene, beispielsweise der alten Malerei die Geschichten erzählt und mit höchster Kunstfertigkeit prunkt. In der Grande Cuisine gibt es ähnliche Freuden und in der ganz modernen Kocherei wird oft nach peniblen Rezepten gekocht von denen abzuweichen unvermittelt den Küchenunfall heraufbeschwört. Mehr bevorzuge ich die Improvisation, weil sie zufälliger, riskanter und deshalb menschlicher ist und aus der Situation heraus entsteht. Diese Situation wird nicht immer auf günstiger Konstellation fußen können und deshalb sind solche „Erzeugnisse“ nie gleich, sondern sie leben, und was lebt ist im kreativen Fluss.
Schön ist auch, dass Spontanes oft Überraschung bereithält, wenngleich diese nicht unbedingt Freude und Bewunderung erzeugen müssen.
Passt jedoch alles zusammen und ist mit professionellem Können unterlegt, empfinde ich improvisierte, intuitive Kocherei, ebenso wie spontane bildende Kunst und besonders improvisierte Musik als Quell der Überraschung, des Staunens, die deshalb gerne in Begeisterung mündend.
Diesen Ursachen gemäß bin ich seit meiner Kindheit ein begeisternder Hörer und seit Jahren auch Ausübender der Jazzmusik. Letztere bietet große künstlerische Freiheit und trotzdem geht es nicht ohne Regeln. Wie ich musiziere so wird auch gekocht. Man schaut was man sich beschaffen kann und legt dann los, wobei die Schwierigkeit darin besteht, dass dem Musizierenden wie auch dem Koch nicht der Gaul durchgeht. Mit langjähriger Übung bekommt man das richtige Maß in den Griff und soll mir ja niemand sagen, dass für gutes Kochen nicht empirische Entwicklung von Nöten wäre.
Bleibt noch der Konsument, als Reflektion des ganzen künstlerischen Tuns. Trifft gutes Essen auf einen freudigen Esser, oder zeigt sich bildende Kunst dem Verständigen, dann tut sich für alle Beteiligten ein Garten Eden auf. Man trifft sich im Elysium und oft ist oft im zart wehenden Ungefähren, sind diese imaginären Gefühle flirrende Illusion die man als wirklichen Humanismus benennen könnte.