Vincents Tagebuch

Markus Wolf

von | 7. Juni 2019 | Allgemein

Beengte Verhältnisse
Im Flugzeug nach Berlin konnte ich einiges über beengte Verhältnisse erfahren.  Ich hatte den Platz in der Mitte, es war für alle Beteiligten kein Vergnügen. Auch wagte ich mich nicht zu bewegen, hockte wie eine Endzeit-Schildkröte zwischen einer weiblichen Elfe und einen herzhaften Kerl. Es gelang mir, die junge Frau nicht zu zerdrücken, aber ich fragte mich, wann in den Flugzeugen die Sitze ausgebaut, und man mit entsprechenden Sicherheitsgurten an der Decke aufgehängt wird. Stehplätze im Flugzeug, das werde ich mit meiner begrenzten Restlaufzeit ganz bestimmt noch erleben. “Achtung der Stewart kommt” raunt mir mein hilfsbereiter Nebensitzer zu.  Der flugbegleitende Aufpasser prüft, ob ich mich brav mit dem Sicherheitsgurt festgezurrt habe. Allerdings, der Gurt passte gar nicht um meinen Ranzen und mit nicht geringer Scham drapierte ich den Gurt in einer Weise, dass der Kontrolleur mich fest verschnürt wähnte. 
Eine Stunde gefesselt und fixiert, das müssen alle hier aushalten. Ich nicht, bin anderweitig einbetoniert. Der Reisende muss leiden, das gehört dazu, damit man sich danach wieder auf’s Zuhause freuen kann. Wenn man bedenkt, dass vor nicht allzu langer Zeit die Stasi in Ostberlin ihre Delinquenten tagelang auf Stühlen festknebelten, da hat der Berlinreisende allen Grund den Mund zu halten.
Die ganze Quälerei ist ja heute schamlos in Vergessenheit geraten, die DDR ist mittlerweile wieder geistiges Wunschkonzert. Lauter nette Leute waren das damals. Genossen, das Wort kommt von genießen, sie bewachten die Grenze. Zum Schluss überwachte jeder jeden. Fast so wie in der Schweiz, da braucht es gar keine Polizei mehr, denn es gibt ja Nachbarn. 
Die kommunistischen Folterknechte möchte ich aber doch ein bisschen in Schutz nehmen. Es ging letztlich nur um den Stuhlgang von Rolf Biermann, mochmehr aber um das was vorne in die Futterluke reinkam.  Es ging hauptsächlich darum, westlich-kapitalistische Rindsuppen-und sonstige Rezepte zu erpressen. Tagelange Folter. Ich kann es bezeugen, den Schwaben und Stasichef Markus Wolf, lernte ihn wiederholte male als netten Herrn kennen. Ganz ohne Ironie, er zeigte sich mir als sehr gebildet und als Mann von großem Stilempfinden. Er übte sich auch als engagierter Hobbykoch und versuchte mit allen Mitteln an die Rezepte der Klassenfeinde ranzukommen. 
Nichts leichter als das, ich verriet ihm einiges und er bedankte sich mit seinem Kochbuch, das ich nach wie vor für sehr interessant halte. Gottseidank war die Mauer inzwischen gefallen sonst wäre der Verräter wahrscheinlich in einem Gulag gelandet. Der Titel des Buchs: “Die Geheimnisse der russischen Küche. Also dieses Volksgut hätte er nicht an uns Wessis verraten dürfen. Aber egal, die Zeit heilt alle Wunden.