Vincents Tagebuch

Zicklein

von | 25. Mai 2019 | Allgemein

Das Zicklein sei gepriesen!
Andere mögen anders urteilen, aber das mir wohlschmeckendste Fleisch ist Zickelein aus dem Ofen. Die Schweiz und Die Badener, die wissen das. Dort ist Gitzi, der absolute Kult. In Gasthäusern wird es nicht sehr häufig angeboten, denn es gibt kaum ein Fleisch, das teurer ist als Geißlein. Oft sind die jungen Geißlein bereits um Ostern schlachtreif, dieses Jahr hat es länger gedauert. 
Die Schwaben lernen es zunehmend zu schätzen. In meiner Jugend mochte niemand die Bahnwärterskuh. Um die ging es auch gar nicht, die war schon immer für Ziegenmilch zuständig und half vielen Leuten durch den Kriegshunger. Wenn etwas in den Topf kam, dann war das der Ziegenbock und bei den Schafen der Schafsbock. Deren Fleisch enthält heftige Pheromonstoffe, der von den meisten als Gestank nach Urin, Sperma etc. eingeordnet wird. 
Ich habe mal bei einem Kollegen ein tolles Schweinkotelett bestellt. Der Koch war löblich und gekonnt auf der Bioschiene. Das Koteltt kam und mir lief das Wasser im Maul zusammen. So toll wie es aussah, um so mehr war es ungenießbar, war ein junger Eber, den der Metzger übersehen hatte. Das Fleisch riecht nur in erhitztem Zustand und der Koch konnte nichts dafür. 
Meine Frau und ich wir reklamieren eigentlich nie, sondern verdrängen Unliebsamkeiten. Zu diesem Behufe hat meine Frau immer einen Plastikbeutel in der Handtasche. Wir haben schon Vieles dort versenkt, so auch dieses Kotelette. Ein berühmter Kollege von mir, der Basler Superkoch Hans Stucki, der das Restaurant Bruderholz berühmt machte, sprach immer wieder von seinen Dackelmenüs. Stufe 1 war, dass nur Kleinigkeiten unter den Tisch in Richtung Hund flogen. Stufe 2 gestaltete sich für das Tier reichhaltiger, bei Dackelmenü der Kategorie 3 flog alles unter den Tisch. Mein Gott, wie oft habe ich mir schon einen solchen Hund gewünscht.
Die Aversion gegen Lamm und Ziege bei der älteren Generation beruht meist auf Überlieferung. Geschlachtet wurden in der sogenannten „Schlechten Zeit“ niemals ein Zicklein. Die Leute hatten Hunger und ließen das Tier auswachsen. Weibliche Viecher wurden, wie erwähnt selten geschachtet, da man die Milch benötigte. So blieb dann nur noch der ausgewachsene Hammel beim Schaf und dann noch der geschlechtsmiefige Ziegenbock. Man möchte die Vorfahren bemitleiden, da sie um die Köstlichkeit eines Zickleins nichts wussten.