Jetzt ist also der Laden dicht in Osnabrück,
einer Stadt, die ein Rad im Wappen führt, aber kulinarisch nie und nimmer das Rad des Genusses drehte.
Einer hat es jahrelang versucht. Warum es meinen Kollegen Thomas Bühner vom Restaurant „La Vie“ dorthin verschlagen hat und er unters Rad geriet kann ich nicht detailliert darlegen, aber gewisse Ahnungen habe ich schon. Neulich grätschte ich gegen ihn, da er sich für die Nahrungsmittelindustrie werblich prostituiert. Die Not muss groß gewesen sein. Eines ist jedoch gewiss, ein guter Koch macht so etwas nicht aus Geldgier, sonst würde er nicht mit Essen handeln, sondern schmorte hinter Rauchglas in einem Bankgebäude.
Das Restaurant „La Vie“ kann man jetzt umbenennen in „La Mort“. Es hat aber bei 40 Sitzplätzen und 28 Mitarbeitern so kommen müssen. Dass ein Sponsor, eine Stahlfirma, in ein Drei-Sterne-Restaurant investiert ist natürlich nicht besonders schlau und von der Hausbank auf Jahre hinaus nervlich nicht durchzuhalten. Man soll auch nicht glauben, dass Deutschland überhaupt die Sternegastronomie braucht. Ganze Landstriche sind stolz auf ihre Sternegastronomie, aber wer geht dort zum Essen? Gewiss es gibt eine kleine Zahl von Liebhabern für royales Dinieren, ein kleiner Teil besucht solche Stätten auch um des sozialen Status Willen. Die Mehrheit speist aber gerne gut, viel und daheim.
Man darf Deutschland nicht mit Paris vergleichen und glauben was die Franzmänner können könne der Teutone auch. Deutsche Köche können das wohl, aber der Bürger hierzulande gibt für ein Menü kaum 300 Euro aus, und die braucht es, um ohne Hotel oder Sponsor im Rücken mit der Zwei- Drei-Sterneküche nicht zu verhungern.
Wer in der gehobenen Gastronomie an gute Rendite denkt, ist nicht ganz dicht. Dass es die Wielandshöhe schon so lange gibt liegt daran, dass wir uns keinen Geschäftsführer und keine Sekretärin leisten und zum Porsche wird es nie reichen. Meine Frau schrie mich mal an, als ich arbeitslustmäßig aus dem Ruder lief: „We are not al lovecouple, we are a Firma!“ In der Tat ist die Gastwirtsehe eine geschäftliche Überlebensstrategie, die jedoch vorwiegend durch Selbstausbeutung funktioniert. Aber gemach, kein Gejammer, die meisten Menschen auf der Welt werden ausgebeutet, und ich beute mich lieber selbst aus, als ich das einem Konzern oder unerreichbarem Chef überlasse.
Nichts gegen Sternegastronomie, schön wäre allerdings, wenn alle Leute, die über Sternegastronomie schwafeln und jedes Jahr dem Sterneranking entgegen fiebern, wenigstens einmal so einen Betrieb aufsuchen würden. Das Interesse an Kulinarik misst sich nicht an hoch Dekoriertem, sondern an den guten bürgerlichen Gaststätten, die allerdings nahezu ausgestorben sind. Man fragt sich warum? Nur ganz kurz: Ein erstklassiger Rostbraten hat mit allem was auf dem Teller liegt einen Materialwert von ca. 3 – 4 Euro. Ein Gastronom, der keine illegalen Flüchtlinge oder sonstige Schwarzarbeiter beschäftigt kann letztlich unter 22 Euro keinen Rostbraten anbieten, dazu kommen noch Pacht, Versicherungen, 19% Mehrwertsteuer, Berufsgenossenschaft (Betriebs-Krankenversicherung), Gebühren, weitere Versicherungen, Kücheneinrichtung, Teller, Besteck und Pfannen u.s.w. und vielleicht noch im Glücksfall ein bisschen Unternehmerlohn.
In der aktuellen Zeitschrift Feinschmecker kann man vom Starschreiber Harald Martenstein lesen, „dass es in Deutschland drei oder vier billige Restaurants gibt, die richtig toll sind, er habe sie aber noch nicht gefunden.“ Also richtig klasse soll es sein, aber nichts kosten.
Der verzweifelte Geizhals, ein sortenreiner Kastei-Deutscher, ist einer der bestverdienenden Journalisten der Republik und kann sich trotzdem kein gutes Restaurant leisten, das seine Mitarbeiter ordentlich bezahlt? Ganz zu schweigen, dass er sich auch keinen Friseur leisten kann, aber hoffentlich eine Mikrowelle, in der er sein Billigessen regenerieren kann.
Dann lese ich in der Süddeutschen Zeitung von heute: „Tatsächlich gelten Preis-Leistungsdenken und Neidkultur als Hemmschuh der Spitzenküche. 200 Euro für eine Opernkarte oder ein Champions-League-Spiel? Kein Problem.“ Soviel zum Armenhaus Deutschland. Nach vierzig Jahren erfolgreicher Selbstständigkeit bin ich glücklich, dass mein Laden in Stuttgart angesiedelt ist. Ausgerechnet die sparsamen Schwaben wissen gutes Essen zu schätzen und wissen auch wieviel Arbeit dahintersteckt. Keine Frage, in meinem Landstrich gibt es „Entenklemmer“ genug. Allerdings: Für schlechtes Essen sind sie auf alle Fälle zu geizig.