Vincents Tagebuch

Flatulenz

von | 30. Oktober 2017 | Tagebuch

Es ist schon lange her, es war noch die Zeit des Kalten Kriegs, 
 als es in der Hose meines Vaters ziemlich heiß herging. Eintopf von grünen Bohnen stand auf dem Mittagstisch. Viel Bohnenkraut war dran, die Früchte des Gartens mit zarter Béchamel umwölkt, es schmeckte phantastisch und gar nicht zu vergleichen mit dem modernen Zierrat auf heutigen Gourmettellern. Die Schüssel war fast geleert, als es einen Riesenschlag tat. Papa hatte mit der Faust auf den Tisch gehauen und verkündet. “Meine vegetarische Woche ist beendet!” Der Mann hatte beträchtliches Übergewicht, was ihm im Nachhinein einem ziemlich langen Leben verhalf. Diese Zukunft sah er gefährdet, weshalb er sich und uns allen eine Gemüsewoche verordnete. 
Er rief aus: “Mit all dem Gemüse und Salat ist es mit mir nun so weit gekommen, dass ich mehr Gas produziere als die Sowjetunion.”
In der Tat, es muss darüber gesprochen werden. Die Anzahl der Patienten, die über Flatulenz oder gar Meteorismus klagen hat sich in den letzten Jahren, als Folge des Trends zu ballaststoffreicher Nahrung und vegetarische Kostformen, enorm aufgebläht. Unter Meteorismus versteht man übrigens peranale Windabgänge, die, würde man sie anzünden (Methan) eine Flammenlänge von ca. 25 cm erreichen.
Darmwinde (lat. flatus) sind mittlerweile ein ernsthaftes Forschungsgebiet und die Ergebnisse von höchster Dringlichkeit. Man beobachte all die disziplinierten Werktätigen in Büros, die mit zusammengekniffener Mimik auf ihre Bildschirme starren, die Mundwinkel sind hart und scharf eingegraben. Ich wähnte diese armen Tröpfe der Unzufriedenheit, oder dass durch exzessives Joggen, Iroman-Ambitionen oder Sportstudiomassaker ihr Leben in einen pathologisch-überfordernden Leistungswahnsinn gemündet sei. Mittlerweile ist die Flatulenzforschung so weit, dass es ganz und gar nicht abwegig ist hinter der vermeintlichen Unzufriedenheit, das Zurückhalten von Analgasen zu vermuten. Wir alle kennen ja die Verleumdung gegenüber hartgegerbten Pietisten, sie würden die Nachbarschaft deshalb mit so strengen Gesichtszügen ängstigen weil sie den Hintern dermaßen zusammenkneifen würden, dass ein Eurostück die Prägung verliere. 
Nein, die Probleme sind komplexer. Wer einen kleinen “Hosenknall”, oder einen veritablen “abgestellten Koffer”, bis hin zum “Riesen-U-Boot”, nicht in die dafür vorgesehene Körperöffnung entlässt, dessen Darm absorbiert die giftigen Gase über die Blutbahn und das Gesicht nimmt mit den Jahren die blaugrüne Färbung an, die beim Abfackeln von Menthangas die Welt erleuchtet.
Kürzlich als ich Gerhard Polt zum Abschied etwas zu fest umarmte, setzte er einen monströsen “High-Altitute-Flatus-Expulsion” ab (wissenschaftl. HAFE). Der Kommentar des nachweislich sehr gescheiten Mannes: “Der druckt mi nimmer”!