Vincents Tagebuch

Bondo

von | 26. August 2017 | Allgemein

Auch wenn ich in den letzten Jahren nicht oft den Ort aufsuchte:
wenn ich eine zweite Heimat benennen wollte, dann wäre es der Ort in Graubünden, an dem vor einigen Tagen Teile des Pizzo Cengalo zu Tale donnerten. Unten liegt die Ortschaft Bondo am Fuße des besagten Cengalo. Daneben liegen berühmt-schwierige Kletterberge wie der Pizzo Badile, mit seiner ungemein anstrengenden Nord-Ost-Wand. Recht daneben in Richtung Italien ragt spitz die Trubinasca, die ich Gipfelnähe mit meinem Freund Bernd dann doch nicht vollends bestiegen habe. Deshalb lebe ich noch.

Es gibt aber auch einen anderen Grund, warum ich noch lebe. Ich verdanke das meinen Vereinskameraden des SAC Bregaglia (Schweizer Alpin Club). Vor 28 Jahren retteten Sie mich, als ich neben dem Cengalo in der Sciora-Gruppe abgestürzt war. Einige der damaligen Freunde sind bereits tot. Einige davon mit dem jungen Nachwuchs im Moment im Dauereinsatz um Verschüttete zu finden. Die Chancen stehen schlecht. Bei mir war es damals ebenso. Mein Vater war schon abgereist und hatte sich mit dem Unglück abgefunden. Die Bergler suchten auf Bitten meiner Frau trotzdem weiter und fanden mich nach einer Woche an der Sciorettea. Seitdem bin ich schlecht zu Fuß und habe natürlich auch kräftig zugenommen. 
Ich kenne kein schöneres Tal als das Bergell aus dem der berühmte Künstler Alberto Giacometti stammt. Ich hoffe, dass sich der Berg beruhigt und man auch wieder beruhigt in Bondo leben kann. Bondo ist ein magischer Ort. Einige Mythen könnte ich erzählen und ich bin deshalb sicher, der Ort wird sich den Bergen entgegenstemmen und es wird ihm nicht so ergehen wie Plurs, das zwanzig Minuten talwärts in Italien liegt. Dieser Ort mit seinen Specksteinmanufakturen wurde im 17. Jahrhundert komplett von einem Bergsturz begraben.