“High Society”, das sang Louis Armstrong zu Zeiten, als es diese noch gab. Ich habe das noch erlebt. Da ich als Jungverheirateter das Restaurant nicht für ausgedehnte Urlaube schließen konnte (Kneipe zu = kein Umsatz = kein Geld), gaben wir das Budget für einen Dreiwochenurlaub in drei Tagen aus. Darunter war beispielsweise das “Hotel Metropol in Beaulieu”, das es heute nicht mehr gibt, oder “The Connaught” in London, oder in Portofino das “Splendido” mit seiner Ava-Gardner-Suite. Heute sind das allesamt Orte in denen jemand, der mit seiner Hände Arbeit zu Werke ist, sich in einer Nacht in den Bankrott schläft.
“High Society” das waren damals keine besseren Menschen. Im Gegenteil, ich ahnte, dass sie oft einer Herrschaftskaste entwachsen, die bis hin zum Großvater, in kolonialer Ausbeutung, beispielsweise Indien abgeweidet hatten.
Was ich aber von den Nobile beobachten und lernen konnte, zeigte sich in Umgangsformen, Stilempfinden, gutem Geschmack, höflichem Umgang und entspanntem Auftreten.
Ganz anders die Insel Sylt. Dort reden alle von Entspannung, in Wirklichkeit tobt ein Exibitionismus um Status und Schwanzverlängrerung. Einmal war ich dort und wohnte im Hotel Budersand, wirklich eine Superbleibe. Meiner Frau gefiel es, mir aber war es zu teuer, das Publikum durchaus gediegen, also Leute ohne Leasingraten, ansonsten stinklangweilig. Viel Sand, feines Leinen und einigermaßen essbare Küche. Es kam zum Ehekrach und ich reiste mit dem Zug nach drei Tagen ab. Von der sogenannten “High Society” in Kampen hatte ich sowieso die Schnauze voll. Ich habe die Fausteregel: Sehe ich jemandem obszön-lauten Reichtum an, ist es meistens ein neureicher Prolet. Mit oder ohne Kelly-Bag, die Goldrolex ein Fake oder nicht, für Demimode habe ich einen scharfen Blick.
Ein rechtschaffen-kluger Kopf im T-Shirt macht auf alle Fälle mehr her, als der sinnleere Blick der mich aus einem Kiton-Anzug anstiert. Der Name der Raffgiergestalt, welche von Östereich sich zum Immobilientycoon hochpumpte, fällt mir gerade nicht ein. Letztlich haben solche Global-Player-Clowns ein zu rasantes Verfallsdatum, um prägende Ankerung in mir zu festigen.
Wir sind uns einig, die klassische “High Society” ist futsch und vom unauffälligen “Old-Money-Style” abgelöst worden. Große Vermögen der Nachkriegszeit sind übrigens niemandem zugefallen, sondern meist mit haufenweise Arbeit erkämpft. Der von Neidern immer wieder beschmutzte Reinhold Würth, (ich denke mal er hat in den ersten dreißig Jahren sich keinen Urlaub geleistet). Der Mann hat unter anderem einen Flugplatz und ein Riesenschiff von niemandem geschenkt bekommen. Er selbst lebt ein schwieriges Leben, denn es ist nicht leicht ein großes Vermögen zu erwerben. Richtig schwierig ist es, ein großes Vermögen mit Anstand und Verantwortung auszugeben. Genau das kann der Mann auf hoher Etage.
Zurück auf die Insel: Vor vierzig Jahren war ich auch schon mal auf Sylt, da haben noch Hamburger Kaufleute und Verleger gegenseitig den Hut gezogen. Im heutigem Nordsee-Ballermann wäre die Narrenkappe zu empfehlen. Auf Sylt gibt es freilich noch Reste feiner Lebensart. Mehr noch wuchern aber exaltierte Angeber, denen jetzt auch noch Nazipöbel aufs Trittbrett gesprungen ist.