Clean kitchen
1.Mose 1,29-30: Und Gott sprach Sehet da, ich habe euch gegeben alle Pflanzen, die Samen bringen, auf der ganzen Erde, und alle Bäume mit Früchten, die Samen bringen, zu euerer Speise. Aber allen Tieren auf Erden und allen Vögeln unter dem Himmel und allem Gewürm, das auf Erden lebt, habe ich alles grüne Kraut zur Nahrung gegeben.
1. Mose 9,3-4: Alles was sich regt und lebt, das sei eure Speise, wie das grüne Kraut habe ich euch alles gegeben. Allein esset das Fleisch nicht mit seinem Blut in dem sein Leben ist.
Wasser hatte seit Menschengedenken einen zweifelhaften Ruf. Eine Vielzahl der Seuchen und Krankheiten früheren Zeiten rührten vom verunreinigten Naß her. Die Mär von den jüdischen Brunnenvergiften, ja vielleicht sogar die Wurzeln des Antisemitismus, sind auch auf schmutziges Wasser und mangelnde Hygiene der römisch Gläubigen zurückzuführen. Den Juden war das Benützen der christlichen Brunnen verboten und das war ihr Glück, aber auch einer der Gründe von Neid und Verfolgung. Sie hatten ihre eigenen Brunnen und achteten darauf, daß keine Fäkalien, Abfälle und sonstig Unreines in den Brunnen fiel. Die mosaischen Hygienegesetze sorgten für penible Sauberkeit und man kann dagegen mit gutem Grund das Christentum als eine, aus dieser Sicht gesehen, schmutzige Religion betrachten. Brachen Seuchen aus, so blieben die Juden putzmunter, griffen zur Fiedel und klenzmerten sich einen. Ausgerechnet die eifrigsten Christen dagegen machten reihenweise den Abflug ins Jenseits.
Reinlichkeit war nämlich von der obersten Kommandostelle im Vatikan nicht gerne gesehen. Beispielsweise hatte der Hohenstaufenkaiser Friedrich II (13. Jhrd.) schwersten Ärger mit dem Papst, weil er sich in geradezu heidnischer Art ein tägliches Bad nahm. Hygiene hatte der Kaiser von den Arabern gelernt. In gotteslästerlicher Verfehlung legte er sich sogar sonntags in parfümiertes Wasser, schließlich waren auf Castel del Monte in jedem Stockwerk mindestens ein Bad mit fließendem (sic) Wasser installiert. Das gründliche Waschen des Körpers galt im Christentum als unsittliche Berührung und was man aus den Brunnen schöpfte, kam oft in leicht angejauchtem Zustand in die Eimer, die womöglich auch noch schlecht gespült waren.
Die koschere Küche, auch die damit verbundene Haushaltführung, war dem damaligen christlichen Schlendrian haushoch überlegen. Bis in die heutigen Tage haben mosaische Speisegesetze Gültigkeit, auch wenn viele Belangemittlerweile auf rituellen Grundlagen fußen und uns heute seltsam erscheinen. Sie dienen mit ihrer Symbolik der Eigenständigkeit, Identität und geben dem über die ganze Erde zerrissenen Volk die Anbindung an Vergangenheit, sorgen für spirituelle Atmosphäre und Symbolik und deuten auf Herkunft, Beständigkeit und sind traditionelles Andenken.
Wollen wir Christen koscher kochen, so geht das eigentlich gar nicht. Dazu müßte über alle Regeln hinweg die Köchin oder der Koch nicht nur koscher arbeiten, sondern es auch jüdischen Glaubens sein.
Nicht nur Pfannen und Töpfe, der Hantierende muß also rein und gottgefällig sein. Im mosaischen Glauben mit seinen komplizierten Regeln bedeutet die Reinheit zentrales Bestreben. Die mosaischen Speisegesetze kann man u.a. in der Thora, den fünf Büchern Moses nachlesen.
Koschere Küche zu erklären, dazu reicht hier der Platz längst nicht, und ich will nur abstrahiert das Wesentliche vorstellen.
Die wichtigsten Grundregeln wären diese:
1. Alle Pflanzen der Erde sind Nahrung für Mensch und Tier. Es gibt keine Einschränkungen.
2. Land-, Luft- und Wassertiere unterliegen Einschränkungen.
Auf die Frage, wie gegessen werden soll sagt die Halacha (aus der Bibel abgeleitete verbindliche Auslegung der Thora) folgendes:
1.Tiere müssen nach bestimmten Regeln, unter rabbinischer Aufsicht, geschlachtet werden.
2. Blut darf in keiner Form gegessen werden.
3. Nur Fleisch von wiederkäuenden Paarhufern (also Ziegen, Kühe und Schafe) ist koscher. Schweine- und Wildfleisch hingegen nicht. Geflügel wie Huhn, Ente und Gans ist erlaubt. Fisch hingegen nur, wenn er Flossen und Schuppen hat.
4. Verendete Tiere, ob im Kampf oder durch einen natürlichen Tod gestorben, dürfen nicht gegessen werden.
5. Fleisch und Milch dürfen nicht zusammenkommen. Eine bekannte Regel besagt: „Du sollst das Zicklein nicht in der Mutter Milch baden“.
Fleisch und Milch bzw. Sahne und Käse müssen nicht nur getrennt gekocht, sondern auch in separaten Kochgefäßen aufbewahrt werden, die Kochgeschirre dürfen nicht durcheinanderkommen. Die Hausfrau hat küchentechnisch sozusagen eine doppelte Buchführung. Zwei Kühlschränke, zwei Garnituren Töpfe und Pfannen, Schüsseln, Besteck etc., das alles auch noch in unterschiedlichen Schränken aufbewahrt werden muß. Einen für die Gerätschaften der Fleischbereitung, einen für die Utensilien, die mit Milch und Käse in Berührung kommen. Das Töten und Zubereiten von Tieren unterliegt besonders strenger Aufsicht: Da geht es beispielsweise ums Schächten als eine schwierige und hohe Kunst ein Tier zu töten. Das Tier stirbt übrigens schmerzfrei, was ihnen jeder Selbstmörder, der sich die Pulsadern öffnet, berichten könne, wenn es die Stimme aus dem Jenseits gäbe. Ungeachtet was Tierschützern und Woke-Salatköpfe hierzulande dagegen ins Feld führen: das Fleisch des Tieres entblutet dabei optimal und wird haltbarer, in heißen Ländern eine ganz und gar sinnvolle Vorgehensweise. Den Metzger kann man getrost als Priester ansehen, denn ursprünglich war Schlachten immer Opferritual zur Ehre Gottes, oder aber umgekehrt, indem Gott dem Menschen ein Tier schenkte. Tiere dürfen nur in Gegenwart Gottes geschlachtet werden. Würde man diese spirituelle Inhalte auf unsere zentraleuropäische Fleischproduktion anwenden gäbe es für Viele hierzulande keinen Grund für Ausweichen in den Vegetarismus.
Orthodox betriebene Koscherküche macht jedoch viel Arbeit, sodaß viele Juden sich von diesen strengen Regeln verabschiedet haben. Für die gläubigen Juden haben diese Vorschriften zentrale Bedeutung, spenden Identität und Zusammenhalt, haben eine rituelle Dimension und ermöglichen ein Leben auf höherer geistiger Ebene. Gerade letzteres mag man in heutigen modernen Zeiten für Überflüssig halten, was uns aber seelisch in gewisser Weise verarmen ließ. Dort werden die Gründe zu suchen sein, daß wir für Scharlatanerie so empfänglich sind, von Himalajasalz angefangen, bis zu den Wunderwirkungen von Aloe Vera, links-rechtsdrehenden Joghurts, die uns vermeintlich um Jahre zurückwerfen sollen, man wieder zum Teenager wird, und sein Müsli bei Räucherstäbchenséancen einwürgt.
Von einer einheitlichen jüdischen Küche kann man kaum sprechen. Trotz ritueller Vorschriften und gemeinsamer Ethnie kochen beispielsweise die ostischen Juden selbstverständlich ganz anders als die Juden des Orients. Genauso wie wir uns zur mediterranen Küche hingezogen fühlen, so ist auch die Küche der sephardischen Juden für mich die wohlschmeckendste. So interessant die Küche des Ostens sein mag, die sonnendurchfluteten Ingredienzien aus den Ursprungsländern der Sefaradim, die Zutaten des Orients, haben größten Reiz. Reis, Couscous, Bulgur, Nudeln, Auberginen, Artischocken; Mandeln, Olivenöl, Tomaten und Lammfleisch. In den Ländern Nordafrikas, bis hoch in den Iran hat die Küche nicht nur wegen der Vielfalt höchsten Stellenwert. Dort wird auch Gastfreundschaft besonders intensiv gepflegt, Hochzeiten können beispielsweise bis zu zwei Wochen in Anspruch nehmen.
Zum Schluß noch etwas: Ein befreundeter Korrespondent, in Jerusalem ansässig, gestand unter Ächzen, daß koschere Küche furchtbar schmecke.
Der Soziologe Natan Sznaider aus Tel Aviv zählt den Bagel, das berühmte Rundgebäck, zu den Totschlaginstrumenten aus dem Osten Europas, und bringt sie mit der Leidensstruktur des jüdischen Volkes in Verbindung. Er geht noch einen Schritt weiter und meint, das auserwählte Volk wolle nicht alleine leiden und sorge deshalb dafür, dass „ungenießbare Loch mit dem Teig drumherum“, in der ganzen Welt zu verbreiten. Na ja, mit Bagels ist es wie mit der guten Küche, es gibt sie in jedem Land, man muß sie nur finden.
Es läuft wie bei uns, vor noch zehn Jahren war deutsches Brot unglaublich vielfältig, aber auch vielfältig schlecht. Heutzutage werden von jungen Leuten immer mehr artisanale Bäckereien gegründet. Es tut sich was, und das auch mit den Bagels.