Vincents Tagebuch

Jan van Eyck Teil 2

von | 25. April 2023 | Allgemein

anderntags, Montag tatsächlich ist das Königliche Museum der schönen Künste geöffnet und ich kann meine Idole besichtigen. Ich will niemand langweilen, nenne nur ein paar Namen, den Meister von Flémalle (Robert Campen), Jan van Eyck, Rogier van der Weiden, Hans Memling u.s.w.. Alles Maler der frühen flämischen Kunst. Im Rubenshaus arbeitete Peter Paul Rubens, der übrigens in Siegen, östlich von Bonn geboren wurde. Hier gab es aber wegen Renovierung keinen Zutritt. So machte ich mich anschließend auf den Weg nach Brügge, ungefähr eine Stunde Fahrt. Jetzt im April drängen sich massenhaft Überseetouristen, aber trotzdem war alles sehr angenehm. Die Stadt ist wirklich zauberhaft und das Groeningenmuseum, als mittelalterliche Anlage zeigte sich als kulturellen Hochgenuss. Das Fahrrad hatte ich aus dem Auto geholt, aber inmitten der Stadt war selbst mit dem Fahrrad kaum ein Durchkommen. Wer sich für alte Malerei interessiert ist in ganz Flandern gut bedient, ansonsten na ja. Halt, stimmt nicht ganz, die Gastronomie ist mindestens so gut wie in Frankreich und dankenswerterweise nicht mode- oder eventanfällig.

Doch Letztendlich ist mein wichtigstes Ziel die Stadt Gent mit dem Genter Altar.
Es gibt genügend Aussagen, die van Eycks Altar, den er mit seinem älteren Bruder in der Genter Sankt Bavo Kirche vollendete, als den absoluten malerischen Höhepunkt Dieser Welt feiern. Eines der einflußreichsten Gemälde aller Zeiten sagen die Spezialisten. Das war nicht immer so, denn in früheren Zeiten bedeutete das Restaurieren von Gemälden eine willkommene Gelegenheit, dass sich Restauratoren als Künstler fühlten und oft meinten, sie müssten durch Übermalen das Bild schlimmverbessern. Trotz allem, Napoleon lies den Flügelaltar in Gent abmontierten und in den Louvre schaffen.

Die Tafeln fanden wieder zurück nach Gent, wurden dann später im ersten Weltkrieg der Habe von Kaiser Wilhelm II. einverleibt. Sie Deutschen Unholde mussten nach der Katastrophe des „Großen Kriegs“ das Kunstwerk als Kriegsschuld zurückgeben. Ich muss kurz erwähnen warum die Deutschen in Belgien und Frankreich “Hunnen” genannt wurden. Sie waren viel schlimmer. Beispielsweise zerstörten sie die Bibliothek der uralten Uni-Stadt Löwen (Leuven). Mir fällt es schwer, dass ich mich im Ausland nicht für mein Deutschsein schäme. Die deutschen Kriegsverbrecher zündeten die Unibibliothek an. 900.000 Bücher, Handschriften Inkunabeln, Stundenbücher wurden verbrannt. Unwiederbringliches Kulturgut wurde, kriegsunwichtig und nur aus Bosheit und Stumpfsinn vernichtet („Ici finit la culture allemande“).

Doch weiter zum Genter Altar.
Während des Zweiten Weltkriegs verirrte sich der Altar ins österreichische Salzbergwerk Altaussee. In diesem Salzbergwerk hortete Hitler tausende Kunstwerke, für die er ein gigantisches Museum bauen wollte. Hitler gab angesichts der Niederlage dann den Befehl das Bergwerk zu sprengen. Mutige Österreichische Mineure verhinderten die Schande. Wohlgemerkt, dies im Angesicht von Todesstrafe. Diese Großtat vermied so die größte Katastrophe der Kunstgeschichte. Sprengstoff war genügend vorhanden. Die Bergwerker sind seither als “Stille Helden“ bekannt und George Clooney drehte eine großen Film über sie. Das Filmresultat geriet aber reichlich vermurkst. Das ist eigentlich fast immer der Fall, wenn Hollywood mit deutscher Geschichte  Profit machen möchte. Wie auch bei Westenfilmen rennt ein Personal durchs Zelluloid, dass immer frisch vom Friseur kommt, egal ob es die Ladies von John Wayne sind oder irgendwelche Stars, die im Schützengraben ums Überleben kämpfen.

Nun aber kommt das Wunder von Gent, und ich war dabei:
Verrückterweise finde ich in Gent, direkt bei der Kirche St. Bovo einen Parkplatz. Wenn das mal nich ein gute Ohmen ist, unser einst „Führer“, Gott habe ihn unselig, hätte von Vorsehung gesprochen. 

In der Kirche bin ich nicht der Einzige, doch der Besuch fühlt sich gut an, nirgends Gedränge. Ich suche alle Seitenaltäre ab, finde aber das Weltkulturerbe nicht. Zwangsläufig komme ich an einer Glasnische vorbei, in der ich ein Büro vermute. Ein älterer Herr steht davor und gibt eine Dame Auskunft, die sich offensichtlich auch auf einer malermäßigen “Tour d’Horizon” befand. Die Frau wendet sich ab und ich rücke dem dunkel und artig gekleideten Herrn an die Wäsche: „Mein Herr, ich finde den berühmten Altar nicht.“ Er dann sehr freundlich, geradezu von großväterlicher Güte: „Gehen Sie bitte durch diese Glastüre und lösen Sie ein Ticket. Der Clerk sagt ihnen dann wie es weitergeht.“ Das mache ich, zahle fünfzehn Euro, quasi eine Schutzgebühr gegen Bedrängnis und Ausdünstung. Zu meinem selbsterkorenen Heiligtum bin ich zunächst alleine unterwegs. Fünfzehn Euro hat nicht jeder locker in der Tasche. Allerdings muss ich sagen, dass dieser Altar mir der wichtigste Grund meiner Reise ist, wichtiger als eine Woche Urlaub im Irgendwo. Bei Erfahrungen der Wissensbereicherung darf nicht gespart werden. Außerdem bin nicht zum Urlaub hier, sondern in höherer Mission unterwegs, um mir die Grundlagen der Alten Malerei draufzuschaffen. 

Ich betrete eine recht dunklen Raum ungefahr von den Ausmaßen eines geräumigen Wohnzimmers. Die Decke, streckt sich jedoch kirchenhoch in kunstvoll gotischer Baumeisterkunst.

Der Flügelaltar hinter Panzerglas, eigentlich schade, aber die Zeiten brachten immer verrückte Bilderstürmer hervor und die Kirchenleitung muss auch nicht unbedingt warten, bis sich irgendein CO2-Kid ans Weltkulturerbe klebt. 

Vor mir eine Frau, offensichtlich sehr gut situiert, denn sie wird von einem Cicerone betreut. Da lausche ich gerne ein bisschen mit, denn der Mann gibt Wissenschaftlich-fundiertes von sich. Neben mir, eine breite Bank, auf der noch vier weitere Aficinados die Ohren spitzen.
Und dann das Wunder. Die alte, gelähmte Dame springt aus ihrem Rollstuhl, dem Kunstführer und auch mir klappt die Kinnlade herunter, alle Leutchen im Raum halten den Atem an. Nach einer lähmend langen Zeit, vielleicht einer Minute, bricht Jubel los. Der sakrale Raum mutiert scheppernd und wiehernd in Umtriebe wie bei einem Afrika-Gottesdienst.
Vor 500 Jahren hätte daraus die katholische Kirche ein Geschäftsmodell losgepowert, das heute noch womöglich das Wunder von Lourdes übertreffen könnte.
Ich wollte gerade als Erinnerung ein Handybildchen knipsen…