Betreutes Trinken
Es macht schon einen Unterschied, ob man zuhause seine Biere trinkt, oder unter den Argusaugen der Öffentlichkeit sich dem Trunke hingibt. Es ist sicherlich zwanzig Jahre her, als besorgte Behörden die Schankwirtschaften und Quartierkneipen als eine Art Sucht-Petrischale ausmachten. Mittlerweile, schon vor Corona, sind die Hälfte dieser leberschädigenden Etablissements zum Wohle der Krankenkassen ausgetrocknet und geschlossen worden. Selbst die guten Gasthäuser und Restaurants sind bei gewissen Bedenkenträgern und sonstigen Abstinenzlern, in deren dürren Mundschlitze kaum ein Centstück gepresst werden kann, nicht wohlgelitten und werden vom bürokratischen Aufsichtspersonal nicht gerade wohlwollend behandelt.
Nun las ich, dass dem Satz des Philosophen Nitzsche nach wie vor Weitsicht bescheinigt werden kann, als er über das viehische Nachgussbedürfniss der Deutschen lamentierte. Das war vor mehr als hundert Jahren. Schlimmes wurde prophezeit und tatsächlich, es kam noch schlimmer. Seit das betreute Trinken in Kneipen und Gasthäusern momentan komplett verboten ist, hat sich in Deutschland ein unkontrolliert, hemmungsloser häuslicher Suff hochgeschaukelt. War es früher der gelegentlich vormittägliche Aperitif der Hausfrau, sozusagen Trunkenheit am Staubsauger, ist mittlerweile verschärfte Trunkenheit am Laptop ein häufiger Frust-Kollateralschaden der Home-Officers*innen.
Alle wollen das baldige Ende der Coronaeinsamkeit. Ja das stimmt, es wird höchste Eisenbahn, dass wieder das betreute Trinken in Kneipen und Gasthäusern als fachgerechte Therapie aktiviert wird.